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30 Jahre nach Kroatienkrieg Noch immer zieht sich ein Riss durch Vukovar

Vukovar war im Jugoslawienkrieg heftig umkämpft. Bis heute wirkt die Vergangenheit nach. In der kroatischen Erinnerungskultur geht es dabei in erster Linie um den Schrecken des Krieges. Das Zusammenleben der verschiedenen Volksgruppen findet dagegen wenig Beachtung.

Gorana Kusic kann sich noch gut an ihre Rückkehr nach Vukovar erinnern: «Es war ein Schock.» Alles sei kaputt gewesen. Sie war damals ein Teenager. Den Krieg verbrachte sie als Kind mit ihrer Familie in Deutschland.

Die Schule besuchte Gorana Kusic mit den anderen kroatischen Kindern, deren Eltern nach dem Krieg zurückgekehrt waren. Die serbischen Kinder hatten im unteren Stockwerk Unterricht.

Vukovar im Krieg

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Vukovar ist in Kroatien ein Symbol für die Schrecken des Krieges. Die Stadt wurde im Kroatienkrieg 1991 monatelang belagert. Nachdem die serbischen Angreifer die fast vollständig zerstörte Stadt einnehmen, verüben sie schwere Kriegsverbrechen an den verbliebenen Kroatinnen und Kroaten. Es kommt zu Massakern und Vertreibungen. Die Stadt wird mehrere Jahre besetzt.

Als sich 1995 das militärische Gleichgewicht zugunsten Kroatiens verschiebt, kommt es zu einem Abkommen zwischen Serbien und Kroatien. Während zwei Jahren übernimmt Kroatien Schritt für Schritt wieder die Kontrolle, bis die Stadt und ihr Umland schliesslich 1998 wieder vollumfänglicher Teil Kroatiens werden.

Das sei damals, nur kurz nach dem Krieg, wohl eine gute Lösung gewesen. «Leider haben wir aber noch immer getrennte Schulen», sagt Gorana Kusic. Der separate Unterricht ist das deutlichste Symbol dafür, dass die Trennung zwischen den Volksgruppen weiterhin politisch gewollt ist.

Frau auf einem Boot vor bewaldetem Flussufer.
Legende: Gorana Kusic auf ihrem Hausboot. Wenn immer möglich, fährt sie damit mit ihrer Familie auf eine kleine Flussinsel in der Donau. Es ist ihr Lieblingsort in ihrer Heimatstadt. SRF/Janis Fahrländer

Dank der friedlichen Reintegration konnten Tausende Menschenleben gerettet werden, wie Dijana Antunovic Lazic sagt. Schon nur deshalb sei sie ein Erfolg. Sie leitet die Organisation «Evropski Dom Vukovar», die sich seit kurz nach Kriegsende für die Versöhnung einsetzt. Das Zusammenleben in der Stadt sei in den letzten Jahren viel besser geworden.

Frau mit Brille vor einer Wand mit bunten Kunstwerken.
Legende: Dijana Antunovic Lazic in ihrem Büro. Die Bilder im Hintergrund sind durch ein Programm entstanden, das Frauen aller Volksgruppen zum gemeinsamen Malen zusammenbringt. SRF/Janis Fahrländer

Gerade die junge Generation mache ihr Hoffnung. Trotz getrennter Schulen sei das Zusammenleben für sie selbstverständlich. Doch manche der älteren Generation könnten sich nicht von der Vergangenheit lösen, sagt Dijana Antunovic Lazic. Dies sei verständlich, es sei schwierig, loszulassen, wenn man im Krieg Angehörige verloren hat. 

Vukovar wird instrumentalisiert

Vukovar hat in Kroatien Heldenstatus. Jedes Schulkind besucht die Stadt an der Grenze zu Serbien. Jedes Jahr gedenkt das Land jenem Tag, als die Stadt von den serbischen Truppen eingenommen wurde.

Dies habe auch eine problematische Seite, findet Dijana Antunovic Lazic. «Militärische Erfolge erhalten viel mehr Aufmerksamkeit als die friedliche Reintegration.»

Vukovar werde zudem von der Politik auf lokaler, aber auch auf nationaler Ebene instrumentalisiert. Dies nutze die Stadt für ihre eigenen Zwecke, um eine nationalistische Agenda zu betreiben, statt das funktionierende Zusammenleben zu fördern.

Auch Gorana Kusic bedauert den ständigen Fokus auf den Krieg statt aufs Miteinander im Hier und Jetzt. Einmal im Jahr reise die Prominenz aus Zagreb für die Gedenkveranstaltung an, interessiere sich aber den Rest des Jahres kaum für den Alltag in der Stadt. «Für mich ist das Leben in Vukovar 365 Tage im Jahr und nicht nur an einem Tag wie für die anderen.» Die Stadt brauche keine Delegationen, sondern Ideen, wie man besser zusammenleben kann.

Doch statt solche Ideen zu fördern, halte ein Grossteil der Politik lieber am Symbol Vukovar fest. An der Heldenstadt, die vor über 30 Jahren im Krieg zerstört wurde. Dabei ist die Erinnerung auch für Gorana Kusic wichtig. Doch für sie ist Vukovar nicht nur ein Symbol, sondern der Ort, an dem sie lebt.

Podcast Geschichte

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Teaserbild für Podcast mit Gesicht einer Frau
Legende: SRF

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Jugoslawiens Zerfall – alle Episoden

Echo der Zeit, 13.08.2025, 18 Uhr; noes

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