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Russland feiert 75. Jahrestag des Sieges von Stalingrad
Aus Echo der Zeit vom 02.02.2018. Bild: Keystone
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75 Jahre «Stalingrad» Viel Pomp und ein bisschen Wahlkampf

Je weiter die Hölle von Stalingrad zurückliegt, umso grösser ist das Gedenken: SRF-Korrespondent David Nauer sagt, warum.

Stalingrad war ein Inferno und ein Massaker. Über 700'000 Menschen verloren vor 75 Jahren bei der Schlacht um die Stadt ihr Leben. Stalingrad war auch eine Wende im Zweiten Weltkrieg. Dort hat die Rote Armee die deutsche Wehrmacht besiegt. Russland hat heute diesen Sieg in Wolgograd, dem ehemaligen Stalingrad, mit viel Pomp zelebriert.

Die Feierlichkeiten waren so gross nie zuvor. Präsident Putin habe dem Anlass eine nationale Bedeutung gegeben, sagt SRF-Korrespondent David Nauer: «Es ist bemerkenswert: Je länger der Zweite Weltkrieg her ist, desto aufwändiger feiert Russland seinen Erfolg – den Erfolg der damaligen Sowjetunion.»

Der vereinte Widerstand und die Bereitschaft zur Selbstopferung waren für den Feind unbesiegbar, unergründlich und fürchterlich.
Autor: Wladimir Putin Russischer Präsident

Bei klirrender Kälte versammelten sich zahlreiche Menschen in der südrussischen Stadt, um sich die Parade mit 1500 Soldaten, Panzerfahrzeugen und Kampfflugzeugen anzusehen. Unter dem schweren Kriegsgerät waren moderne russische Raketenwerfer, aber auch der legendäre Weltkriegspanzer T-34.

David Nauer

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David Nauer ist Korrespondent von Radio SRF in Russland. Von 2006 bis 2009 hatte Nauer für den «Tages-Anzeiger» aus Moskau berichtet, anschliessend aus Berlin.

Familien mit Kindern, ältere Leute, Schaulustige: Für SRF-Korrespondent Nauer, der selber vor Ort war, hatte die Militärparade etwas von einem Volksfest: «Es sei eben ein ganz besonderer Tag, sagte mir ein Rentner: ‹Es ist der Tag unseres Sieges, unserer Ehre. Wir erinnern uns aber auch an unsere Grossväter, die hier gefallen sind›.»

Putin macht Werbung in eigener Sache

Präsident Wladimir Putin sagte in einer Rede vor Kriegsveteranen, in der Geschichte der Menschheit habe es «keine derartige Schlacht» gegeben. Putin flog eigens zu dem Grossereignis nach Wolgograd, das von 1925 bis 1961 den Namen Stalingrad trug.

In der Philharmonie der Stadt an der Wolga nahm er an einem Gedenkkonzert teil. Dort sagte er vor Kriegsveteranen, der «vereinte Widerstand und die Bereitschaft zur Selbstopferung» seien für den Feind «unbesiegbar, unergründlich und fürchterlich» gewesen.

Putin will Russland wieder zur Grossmacht machen und setzt dabei auf Nationalstolz und Patriotismus.
Autor: David Nauer SRF-Korrespondent in Moskau

Putin fügte hinzu: «Die Verteidiger von Stalingrad haben uns ein grosses Erbe hinterlassen: Liebe zum Vaterland, Bereitschaft, dessen Interessen und Unabhängigkeit zu schützen, und bei jeder Herausforderung stark bleiben.»

Putin beim Besuch einer Geschichtsausstellung.
Legende: Auf dem Programm des Präsidenten stand der Besuch einer Geschichtsausstellung und ein Treffen mit Jugendlichen aus der Eine-Million-Einwohnerstadt. Präsidentensprecher Dmitri Peskow sagte vor Putins Besuch, der 2. Februar sei «ein sehr wichtiges Datum für uns alle». Keystone

Wenige Wochen vor der Präsidentschaftswahl nutzte Putin die grosse Bühne auch, um Werbung in eigener Sache zu machen, so Nauer: «Die Feierlichkeiten im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg sind erst unter ihm so opulent geworden. Putin will Russland wieder zur Grossmacht machen und setzt dabei auf Nationalstolz und Patriotismus.» Der Sieg gegen Nazi-Deutschland sei dafür ein perfekter Bezugspunkt.

Erdrutschssieg bei den Präsidentschaftswahlen?

Putins Wiederwahl im März dürfte zwar Formsache sein. Für Nauer sind derartige publikumswirksame Auftritte denn auch eher Teil eines «Scheinwahlkampfs»: «Allerdings will Putin natürlich möglichst hoch gewinnen. Die Rede ist davon, dass der Kreml 70 Prozent der Stimmen für Putin ins Auge gefasst hat. Und dafür muss er dann schon etwas tun.»

An der Gedenkstätte Mamajew Kurgan legt Putin einen Kranz nieder.
Legende: An der Gedenkstätte Mamajew Kurgan legte Putin einen Kranz nieder. Auf dem Hügel, der im Zweiten Weltkrieg einer der am härtesten umkämpften Punkte der Stadt war, erinnert heute eine 85 Meter hohe Statue an die Schlacht. Keystone

Putin als Garant gegen das Chaos

Wirklich nötig hat Putin Auftritte wie in Wolgograd allerdings nicht. Obwohl die russische Wirtschaft derzeit nur langsam wachse, gebe es im Volk keine Wechselstimmung, sagt Nauer: «Zwar geht es vielen Russen schlechter als vor fünf Jahren. Aber es geht ihnen immer noch besser als vor zwanzig Jahren – also vor Putins Amtsantritt.»

Die chaotischen und von bitterer Armut geprägten 90er-Jahre wirkten gerade bei der älteren Generation bis heute nach. Schliesslich könne von einer organisierten Opposition unter Putin keine Rede sein: «Wie zu Sowjetzeiten schimpfen die Unzufriedenen im Privaten vor sich hin.»

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