Ab in die Wüste - Die Saudis kaufen sich quer durch den europäischen Fussball
Geld regiert die Fussballwelt: Nicht mehr nur Altstars folgen dem Ruf der Petrodollars. Ihre Wechsel in die Wüste begründen die Spieler mit abenteuerlichen Argumenten.
Die Affichen lesen sich wie das Halbfinale der Champions League: Sadio Mané, Cristiano Ronaldo und Marcelo Brozovic treten gegen Karim Benzema, Fabinho und N’Golo Kanté an. So manch virtuose Ballstafette dürfte aber am Unvermögen der Mitspieler scheitern: Denn auf dem Feld duellieren sich nicht Real Madrid und Liverpool, sondern Al-Nassr und Ittihad aus der Saudi Pro League.
Der Marktwert der meisten Spieler bewegt sich im Rahmen eines Tagesgehalts von Ronaldo und Benzema: Die beiden verdienen jährlich 200 Millionen Franken – rund 550'000 Franken in 24 Stunden.
Den Scheichs auf der Tribüne dürfte es egal sein, wenn mal ein Ball ins Aus kullert. Sie sonnen sich im Glanz der modernen Gladiatoren. Brot und Spiele fürs Volk. Und betreiben, wie Menschenrechtsorganisationen monieren, «Sportswashing», mit dem der ramponierte Ruf im Ausland verbessert werden soll.
Kronprinz pumpt Milliarden in Transferoffensive
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Alimentiert wird die Einkaufstour vom saudischen Staat: Die Clubs Al-Nassr, Al-Hilal, Al-Ittihad und Al-Ahli wurden in diesem Sommer vom saudischen Public Investment Fund (PIF) übernommen. Der Vorsitzende: der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman.
Der starke Mann in der Wüstenmonarchie hat ein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein – und womöglich auch Blut an den Händen: «MBS» wird vorgeworfen, die bestialische Ermordung des regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018 angeordnet zu haben.
Die Investitionen in den Fussball sollen kein Intermezzo wie in China bleiben, das in den 2010er-Jahren zum Eldorado alternder Fussballstars geworden war. Dort blieb der «Return of Investment» nämlich aus, sportlich wie wirtschaftlich.
Der saudische Staat verfolgt dagegen hochfliegende Pläne: Die heimische Fussballliga soll mittelfristig mit den europäischen Topligen mithalten können. Dafür will Riad laut einem Bericht des amerikanischen TV-Senders CBS bis 2030 rund 20 Milliarden Franken in Transfers investieren.
Der 35-jährige Benzema geht mit reinem Gewissen in die fussballerische Frührente. «Ich bin ein Moslem, und dies ist ein muslimisches Land. Ich wollte immer hier leben», erklärte der amtierende Weltfussballer.
Das sind die Stars der Saudi Pro League:
Auch den italienischen Europameister Marco Verratti (30) zieht es in die Wüste. Für ein Jahresgehalt von 50 Millionen Euro. «Er wird ein sehr reicher Mann sein, aber er wird niemals ein Champion sein», kommentierte sein ehemaliger Berater den Wechsel von Paris Saint-Germain zu Al-Hilal.
Liverpool verliert seinen langjährigen Captain Jordan Henderson (33). Der Engländer gehörte zu einer aussterbenden Spezies im Profifussball: rustikal, zutiefst verbunden mit seinem Stammclub und frei von Starallüren. Der deutsche Ex-Profi Thomas Hitzlsperger, der sich nach seiner aktiven Karriere zu seiner Homosexualität bekannte, kritisierte Henderson: «Ich dachte, er sei ein Verbündeter der LGBTQ-Community. Wie dumm von mir.»
Ebenfalls von Liverpool kommt der Brasilianer Fabinho. Sein neuer Club Al-Ittihad präsentierte ihn mit dem Club-Maskottchen – einem angeketteten Tiger.
Unverblümt gab sich Kalidou Koulibaly, der von Chelsea nach Saudi-Arabien geht: «Ich kann es nicht leugnen. Ich werde meiner ganzen Familie, von meinen Eltern bis zu meinen Cousins, zu einem guten Leben verhelfen können.» Zudem wolle er in seiner Heimat Senegal ein Spital bauen
.
Nicht alle folgen dem Lockruf
Angesichts der schwindelerregenden Gehälter ist es nachvollziehbar, dass sich die Stars ihre Karriere vergolden lassen. Umso ehrenwerter ist es da, wenn einige von ihnen ihre sportlichen Ambitionen voranstellen. Ein prominentes Beispiel ist Kylian Mbappé. Der vielleicht beste Fussballer der Gegenwart lehnte nach Medienberichten ein Angebot von 700 Millionen Euro ab – wohlgemerkt für ein Jahr.
Gegen einen Wechsel nach Saudi-Arabien entschied sich auch Lionel Messi. Der siebenfache Weltfussballer bevorzugt die Nestwärme beim Beckham-Club Inter Miami. In der US-Metropole leben viele seiner argentinischen Landsleute, der Weg in die Heimat ist (relativ) kurz.
Auch Marko Arnautovic hat derzeit kein Interesse, seine Karriere in der Wüste ausklingen zu lassen. Den Gerüchten erteilte er eine Absage – er bleibt in Italien. Der exzentrische Stürmer schnauzte einst bei einer Verkehrskontrolle in Österreich einen Polizeibeamten an: «Du hast mir gar nichts zu sagen. Ich verdiene so viel, ich kann dein Leben kaufen.» Die Petrodollars hätten das Vorhaben definitiv erleichtert.
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