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Abkommen mit Mercosur Freihandel mit Lateinamerika: Jetzt muss die EU liefern

Was die EU ausgehandelt habe mit den lateinamerikanischen Staaten, das gehe über neue Handelsabkommen hinaus, unterstrich Handelskommissar Maros Sefcovic. Die EU gebe sich ein strategisches Instrument, um auf Jahrzehnte hinaus den Welthandel zu prägen.

Das sind grosse Worte. Nachvollziehbar.

Es geht um die Glaubwürdigkeit der EU

Das Mercosur-Abkommen ist das erste umfassende globale Partnerschaftsabkommen, das Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay abschliessen wollen. Ein Vorteil für die EU gegenüber anderen Handelsblöcken. Es könnte die grösste Freihandelszone der Welt entstehen.

Die EU rechnet sich aus, dass die Exporte nach Lateinamerika um jährlich 50 Milliarden Euro steigen. Hunderttausende Arbeitsplätze würden davon profitieren. Vier Milliarden Euro Zölle entfallen pro Jahr für europäische Unternehmen.

Aber eben, es gehe nicht nur um Zahlen, so Sefcovic. Vielmehr geht es um die Glaubwürdigkeit der EU. Sie hat Jahrzehnte lang verhandelt mit den Mercosur-Staaten, um Zeit zu gewinnen, weil sich die EU-Länder nicht auf eine Linie einigen konnten.

Erst letzten Dezember wurde das Abkommen endlich unterschrieben. Sogleich forderten aber einige Länder Nachverhandlungen: Frankreich, Italien, Polen, oder Belgien. Als hätten diese Länder noch nicht verstanden, dass das globale Handelssystem, von dem die EU wirtschaftlich so stark profitiert, zunehmend unter Druck kommt.

Mehrheitsentscheid könnte bis Ende Jahr fallen

Im Wissen um diesen Widerstand hat die EU-Kommission weitere Kompromisse gesucht: möglichst tiefe Einfuhrquoten für Rindfleisch oder Hühnerfleisch zum Beispiel. Oder zusätzliche Exportquoten für europäischen Käse und Spirituosen. Sogar Schutzklauseln verspricht sie, welche die EU anrufen könnte, um Agrarimporte aus den Mercosur-Staaten kurzfristig einzuschränken.

Zudem will die EU-Kommission das Handelsabkommen von allen anderen politischen Kooperationsabkommen mit den Mercosur-Staaten abtrennen.

Das erlaubt einen Mehrheitsentscheid für den Handelsteil im Rat der EU-Staaten, im besten Fall schon bis Ende Jahr. Politisch heikle Fragen wie das Einhalten von Sozialstandards oder Umweltschutz-Bestimmungen wie der Schutz der Waldgebiete wie dem Amazonas, die einstimmig zu beschliessen sind, könnten auf die lange Bank geschoben werden.

Findet die EU-Kommission auf diesem Weg rasch eine Mehrheit, könnte die EU zeigen, dass sie wirtschaftspolitisch handlungsfähig bleibt.

Verzögern die EU-Länder aber weiter eine Ratifizierung, dürfte sich der Eindruck festigen, dass die EU sich einmal mehr zwischen den Machtblöcken zerreiben lässt, politisch und wirtschaftlich.

Östereich prüft Blockade – Frankreich, Polen deuten Einlenken an

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Am Mittwoch hat die EU-Kommission den nötigen Ratifizierungsprozess für ein Handelsabkommen mit dem südamerikanischen Block Mercosur eingeleitet.

Österreich will seine ablehnende Haltung zum Freihandelsabkommen Mercosur prüfen. «Wir werden diesen neuen Vorschlag im Detail prüfen», sagte Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) noch am Mittwoch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit EU-Ratspräsident Antonio Costa in Wien. Die grundsätzliche Position Österreichs sei jedoch klar, betonte der konservative Politiker mit Verweis auf einen weiterhin gültigen Parlamentsbeschluss, der die Regierung zur Ablehnung verpflichtet.

Die bisher kritischen Staaten Frankreich und Polen signalisierten hingegen ein Einlenken. Das Handelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur-Block gehe in die richtige Richtung, schrieb der französische Handelsminister Laurent Saint-Martin in einem Beitrag auf der Online-Plattform X. Man werde die Verabschiedung nicht mehr verhindern können, sagte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk in Warschau. Regierungssprecher Stefan Kornelius erklärte in Berlin, Deutschland werde im EU-Rat auf jeden Fall mit Ja stimmen, versuche aber, mit Frankreich eine gemeinsame Haltung zu finden.

Charles Liebherr

EU-Korrespondent

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Charles Liebherr ist EU-Korrespondent von Radio SRF. Davor war er unter anderem in der SRF-Wirtschaftsredaktion tätig, später war er Frankreich-Korrespondent. Liebherr studierte in Basel und Lausanne Geschichte, deutsche Literatur- und Sprachwissenschaft sowie Politologie.

Echo der Zeit, 03.09.25, 18 Uhr

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