Die Irinnen und Iren haben vergangenen Freitag an der Urne deutlich entschieden, das strenge Abtreibungsverbot in Irland zu entkräften. Das lenkt den Fokus auf ein anderes katholisches Land, nach Polen. Polen hat eines der strengsten Abtreibungsverbote in Europa. Nur bei Lebensgefahr für die Mutter, wenn sie durch Vergewaltigung schwanger wurde oder wenn der Fötus schwere Missbildungen aufweist, darf eine Frau abtreiben. Ist nun auch da mit einer gewissen Liberalisierung zu rechnen? Nein, sagt Jan Opielka, Publizist in Polen.
Jan Opielka
Publizist in Polen
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Jan Opielka arbeitet als Journalist für deutsche und polnische Printmedien sowie als Übersetzer. Er lebt im polnischen Gliwice/Gleiwitz.
SRF News: Dass nun mit Irland ein anderes katholisches Land Abtreibungen zulässt, gibt das in Polen zu reden?
Jan Opielka: Die liberalen Menschen, die liberalen Medien und die liberalen Parteien sind auch in Polen für eine Liberalisierung. Gegen eine Lockerung des Gesetzes sind Personen, die weitgehend der Regierung nahestehen. Es gibt sogar eine Initiative, die sich für eine Verschärfung des Abtreibungsrechts, das ohnehin sehr restriktiv ist, einsetzt.
Diese Bürgerinitiative mit über 800’000 Unterzeichnern verlangt ein Verbot der Abtreibung von missgebildeten Föten. Wo steht denn dieses Vorhaben?
Der Vorschlag wird gerade im Sejm beraten, in einer der zwei Kammern des Parlaments. Es ist der zweite solche Vorstoss in den letzten zweieinhalb Jahren. Dass die polnische Regierung selbst deklariert, sie befürworte eigentlich eine weitere Verschärfung, aber kein eigenes Gesetz einbringt, ist bezeichnend. Diese Initiative hat über 800’000 Unterschriften bekommen.
Was ist der Seim?
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Der Sejm bildet in der polnischen Nationalversammlung die zweite Kammer neben dem Senat. Er zählt zu den ältesten parlamentarischen Einrichtungen der Welt. Es gibt ihn seit dem 12. Jahrhundert. Institutionalisiert ist er der Rat seit dem 1500 Jahrhundert. Während der kommunistischen Zeit existierte er als einflusslose, rein beratende Institution. In seiner heutigen Form (seit 1989) hat er 460 Sitze.
Wer unterstützt diese Bürgerinitiative?
Es sind Leute, denen das geltende Recht zu liberal ist. In Polen spielt die katholische Kirche eine wichtige Rolle. Sie hat unlängst gefordert, dass die Arbeiten an diesem Gesetz tatsächlich aufgenommen werden.
Sowohl die konservativen Kreise als auch die katholische Kirche sind Stützen der regierenden national-konservativen PiS-Partei. Dennoch scheint ein schärferes Abtreibungsgesetz keine Priorität für die Regierung zu haben. Warum nicht?
Es hat keine Priorität, weil die Regierung ganz genau auf die Umfragen schaut. Sie sagen relativ eindeutig, dass die Mehrheit der Polinnen und Polen gegen eine Verschärfung ist. Jüngste Umfragen vom März dieses Jahres zeigen, dass lediglich 15 Prozent der Menschen im Land dafür sind, dass das Abtreibungsrecht verschärft wird. Ungefähr 40 Prozent sprechen sich dafür aus, dass die jetzige Regelung beibehalten wird und 37 Prozent sind für eine Liberalisierung. Sie haben in der jetzigen Mehrheit im polnischen Parlament keine Chance. Aber das sind die Prioritäten in der Bevölkerung.
In Polen gehört es offenbar zum Alltag, dass Ärzte sogar legale Abtreibungen verweigern. Kommt diese Regelung in Polen nicht ohnehin zu einem totalen Verbot schon sehr nahe?
Ja, polnische Ärzte können tatsächlich legale Abtreibungen verweigern. Sie müssen die Frauen allerdings an Ärzte verweisen, die eine Abtreibung vornehmen. In Polen gibt es zirka 1 000 Abtreibungen legal pro Jahr. Frauenorganisationen schätzen die Dunkelziffer aber auf etwa 100’000. Viele Frauen reisen dafür in Nachbarländer wie Deutschland, wo es liberalere Gesetzgebungen gibt.
Eine Volksabstimmung wie in Irland ist in Polen im Moment nicht denkbar?
Eine Abstimmung ist nicht denkbar, weil es nicht um die Frage geht, ob man die Verfassung ändern will. In Irland gab es ja einen entsprechenden Verfassungszusatz. Für eine einfache Gesetzesregelung wie in Polen steht ein Volksentscheid nicht zur Debatte und die polnische Regierung würde einen solchen auch nicht anstreben. Denn die Mehrheit der Bevölkerung lehnt wie gesagt eine Verschärfung ab.
Das Gespräch führte Daniel Eisner.
Abtreibungsregeln in europäischen Ländern
Die Abtreibungsbestimmungen in Europa sind von Land zu Land verschieden. In vielen Ländern gelten Fristenregelungen. Sehr restriktiv ist das Recht nicht nur in Irland, sondern unter anderem auch in Polen. (Quelle: dpa)
Schweiz: Seit 1. Oktober 2002 gilt in der Schweiz die vom Volk am 2. Juni angenommene Fristenregelung. Das bedeutet, dass der Entscheid über den Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft in den ersten 12 Wochen bei der Frau liegt. Ab der 13. Woche ist ein Abbruch zulässig, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, um von der Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abzuwenden. Es ist kein Zweitgutachten notwendig.
Deutschland: Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland unter bestimmten Bedingungen nicht strafbar. Eine Frau kann innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen - in Ausnahmefällen auch bis zur 22. Woche - abtreiben lassen, wenn sie sich beraten lassen hat und dem Arzt einen Beratungsschein vorlegt. Die Abtreibung bleibt in dieser Zeit auch straflos, wenn die Schwangerschaft auf einem Sexualdelikt beruht. Nicht rechtswidrig hingegen ist eine Abtreibung während der gesamten Schwangerschaft, wenn der Frau eine schwerwiegende körperliche oder seelische Beeinträchtigung droht.
Niederlande: Sie zählen zu den liberalsten westeuropäischen Ländern mit einer Fristenregelung von 24 Wochen. Nach einem Gespräch mit einem Arzt muss die Frau lediglich noch eine fünftägige Bedenkzeit abwarten, ehe sie in einer Klinik behandelt wird.
Polen: Das Land hat eines der strengsten Abtreibungsgesetze in Europa. In dem katholisch geprägten Land sind Schwangerschaftsabbrüche nur in drei Ausnahmefällen erlaubt: Wenn die Frau vergewaltigt wurde, wenn ihr Leben in Gefahr ist - und bislang auch, wenndas Kind eine schwere Behinderung haben wird. Konservative Pro-Life-Aktivisten setzen sich dafür ein, den letzten Punkt zu verbieten. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf brachten sie ins Warschauer Parlament. Viele Ärzte würden allerdings den Eingriff verweigern, weil sie Angst vor Ermittlungen oder Abtreibungsgegnern hätten, kritisieren Frauenrechtlerinnen. Deshalb reisten viele Frauen zum Abtreiben etwa in die Nachbarländer Deutschland und Tschechien.
Grossbritannien: Für England, Wales und Schottland gilt eine Frist von 24 Wochen. Wenn zwei Ärzte der Frau bescheinigen, dass die Schwangerschaft ihr körperlich oder seelisch schaden könnte, ist ein Eingriff legal. In Nordirland darf nur bei Lebensgefahr für die Mutter abgetrieben werden und wenn sie selbstmordgefährdet ist.
Frankreich: Das Land räumt Frauen eine Frist bis zum Ende der zwölften Schwangerschaftswoche ein. Sie können eine Abtreibung vornehmen lassen, wenn sie die Schwangerschaft nicht fortsetzen wollen. Die Beschränkung auf Frauen «in einer Notlage» wurde 2014 gestrichen - die Entscheidung darüber lag auch vorher schon allein bei der Schwangeren. Vor einem Eingriff müssen sich Betroffene an zwei Terminen von einem Arzt oder einer Hebamme beraten lassen.
Spanien: In dem katholischen Land sind Abtreibungen bis zur 14. Schwangerschaftswoche zugelassen, bis zur 22. Woche können sie aus medizinischen Gründen legal sein. Der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy zog 2014 Pläne zurück, Abtreibungen wieder grundsätzlich für illegal zu erklären. Allerdings wurde die Regelung durchgesetzt, wonach Minderjährige eine Einverständniserklärung der Eltern oder des Vormunds vorlegen müssen, bevor eine Abtreibung durchgeführt werden darf.
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