Das lässt sich der Präsident der Elfenbeinküste nicht nehmen. Im offenen Auto fährt er vor dem Spiel durchs Stadion, das nach ihm benannt ist. Alassane Ouattara winkt in die Menge und das Publikum skandiert seinen Namen. Der Afrika-Cup ist sein Erfolg.
«Natürlich gewinnt heute auch der Präsident. Er hat den Afrika-Cup hier hergebracht.» Cheikh Mohammed ist einer der begeisterten Zuschauer am Eröffnungsspiel des Afrika-Cups. Er glaubt zudem, das Turnier werde die Ivorerinnen und Ivorer zusammenbringen, nach Jahren ethnischer Konflikte.
Sportswashing mit Fussballturnier
Die Begeisterung für Fussball ist riesig auf dem afrikanischen Kontinent. Wo immer eine freie Fläche ist, rennen Kinder und Jugendliche dem Ball hinterher. Auf Fernsehbildschirmen in Bars läuft konstant europäischer Klubfussball. Und das macht sich die Politik zunutze.
Die Elfenbeinküste hat über eine Milliarde Franken ausgegeben für Stadien und Strassen, um den Africa-Cup of Nations durchführen zu können. Noch 2020 war das Image von Präsident Ouattara angekratzt, als er verfassungswidrig eine dritte Amtszeit antrat. Heute wird er im Stadion beklatscht. Ein klassischer Fall von Sportswashing, so Kritiker. Die Politik nutzt den Fussball, um sich in ein besseres Licht zu rücken.
Politiker hetzen im Stadion
Das war schon früher so, erinnert sich Otto Pfister. Der Deutsche coachte in den 1970ern die Nationalmannschaft Ruandas. «Das Spiel gegen Uganda sollte um 16 Uhr losgehen, die Spieler waren aufgewärmt.» Doch dann wurde das Team zurück in die Kabinen beordert. Der Grund: Ugandas Präsident Idi Amin war noch nicht da.
Eine halbe Stunde fuhr der Präsident mit dem Jeep ins Stadion. «Er drehte eine Runde, hielt dann eine politische Rede auf der Tribüne, erst danach wurde angepfiffen.» Der 86-jährige Pfister hat in seinem Leben acht afrikanische Nationalteams trainiert. Und dabei etwa Fidel Castros Matchbesuch in Guinea erlebt: «Castro hielt im Stadion eine Hetzrede gegen die USA.»
Die Mannschaftsaufstellung ist politisch
Pfister wurde einst in Kinshasa mitten in der Nacht aus dem Bett geholt. Der Diktator Kongos (damals Zaire), Mobutu Sese Seko, hatte eine Polizeieskorte geschickt. «Mobutu sagte um drei Uhr morgens zu mir: Trainer, das Spiel morgen gegen Angola müssen wir unbedingt gewinnen!» Der Grund: Kongo-Kinshasa war westlich orientiert, Angola pflegte Beziehungen zur Sowjetunion.
Politisch kann auch die Mannschaftsaufstellung sein. In den meisten afrikanischen Staaten gibt es mehrere Ethnien, die sich nicht immer gut verstehen. «Darum habe ich immer darauf bestanden, einen lokalen Assistenzcoach zu haben», erklärt Pfister. «Wenn du als Trainer die politischen Zusammenhänge in Afrika nicht verstehst, bist du schnell weg.»
Fussball als Steigbügelhalter für die Politik
Bei der Wahl ins Parlament kann der Fussball ebenfalls helfen. «Politikerinnen und Politiker suchen sich Gruppen wie Kirchen, Gewerkschaften oder Fussballfans», erklärt der Kenianer Ambrose Rachier. Anwalt Rachier ist Klubpräsident von Gor Mahia, Kenias Rekordmeister.
Der 75-jährige Rachier steht Kenias Oppositionsführer nahe, war jedoch selbst nie Politiker. Auch wenn er als Klubpräsident gute Voraussetzungen dafür gehabt hätte. «Ich kann sicher 20 Personen aufzählen, die in Kenia im Fussball gross geworden sind, und dann ins Parlament, in die Politik gewechselt haben.»
George Weah trat ohne Murren ab
Der bekannteste Politiker Afrikas, der früher im Fussball aktiv war, ist George Weah. Weltfussballer Weah ist ehemaliger Staatspräsident Liberias. Rachier glaubt: «Weah wurde Präsident, weil er sich im Fussball Respekt verschafft hatte.» Nach fünf Jahren im Amt wurde Weah 2023 abgewählt und trat ohne Murren ab. Lobenswert, findet Rachier: «Afrika ist geplagt mit Führern, die nicht abtreten, sondern eher noch einen Coup riskieren. Doch Weah, der ehemalige Fussballspieler, sagte: Ich akzeptiere meine Niederlage. Respekt!»
Rachier ist bereits 15 Jahre Klubpräsident. Darum wird er von den Fans «Mugabe» genannt, wie der frühere Langzeitpräsident Simbabwes. Ist auch Rachier ein Sesselkleber? «Nein», lacht der Kenianer, «noch in diesem Jahr trete ich endgültig ab, versprochen!»
Das Team ruft zum Kriegsende auf
Manchmal mischt sich der Fussball auch in die Politik ein. Etwa als das Nationalteam der Elfenbeinküste zum Waffenstillstand im Bürgerkrieg aufrief. Vor laufender Fernsehkamera knieten Captain Didier Drogba und sein Team im Oktober 2005 in der Umkleidekabine nieder.
Der Captain hielt eine Rede: «Heute hat das Team bewiesen, dass die Elfenbeinküste zusammenleben kann. Wir haben für ein gemeinsames Ziel gespielt und uns für die WM qualifiziert.» Dann rief Drogba die Bürgerkriegsparteien auf: «Bitte, legt die Waffen nieder, organisiert Wahlen.»
Die Verkäuferin Rosalie Touré erinnert sich noch gut: «Ich hatte Tränen in den Augen, als ich die Rede schaute.» Touré lebt im einfachen Quartier Yopougon in der Wirtschaftsmetropole Abidjan. Im Konflikt wurde ihr Lebensmittelladen geplündert und zerstört. Er war die Lebensgrundlage der Familie. Hunderte Menschen kamen bei den Kämpfen zwischen Rebellen aus dem Norden und der Armee aus dem Süden ums Leben.
Drogbas Rede in der Umkleidekabine half damals mit, den Konflikt einzudämmen. Doch die politischen Querelen gingen weiter. Bis heute, erklärt die 50jährige Touré, sei die Elfenbeinküste ein geteiltes Land.
Der Fussball vereint das Land
Doch der aktuelle Erfolg der «Elephants» am Afrikacup vereine die Menschen schon, so die Verkäuferin. «Wenn das Nationalteam spielt, dann halten wir zusammen. Haben Sie die vielen Fahnen im Quartier gesehen?»
Die Elefanten sorgen für Ekstase in ihrem Land. Doch so wichtig ist es gar nicht, wer auf dem Feld gewinnt. Der Fussball lenkt Millionen Afrikanerinnen und Afrikaner von ihren Alltagssorgen ab. Und eine Siegerin steht schon vor dem Schlusspfiff fest - die Politik.