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Aktionsplan zu Rechtsextremen Razzia gegen Neonazis löse das Problem noch nicht, so Experten

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser hat den Kampf gegen den Rechtsextremismus zu ihrer wichtigsten Aufgabe erklärt und kürzlich einen Aktionsplan vorgestellt. Kurz darauf ging die Polizei in mehreren Städten gegen rechtsextreme Netzwerke vor.

Eine Razzia der Superlative liess die deutsche Bundesanwaltschaft am 6. April durchführen. Hunderte Polizistinnen und Polizisten waren in ganz Deutschland im Einsatz gegen Rechtsextremisten aus der gewalttätigen Szene und nahmen einige Personen fest. Eine solch konzertierte Aktion gab es seit Jahren nicht mehr.

Corona erhöhte den Druck zu handeln

Zu lange hätte Deutschland nur zugeschaut, sagt die Amadeu-Antonio-Stiftung (AAS). Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Antirassismusgruppe sagt, es sei höchste Zeit geworden: «Ich glaube, es fehlten bislang die Ressourcen bei den Sicherheitsbehörden und es fehlte auch der politische Wille.» Er glaubt, dass die aktuelle Bundesministerin dazu geführt hat, härter vorzugehen. Der Druck war zuletzt gross, denn die Pandemie machte die rechtsextreme Szene sichtbar. Seit den vielen Geflüchteten sei zum Rassismus noch eine demokratiefeindliche Dimension dazu gekommen.

Reinfrank begrüsst die Razzia zwar, deutet aber auf ein weiteres Problem hin: «Nach dem Mord durch einen Rechtsextremen an CDU-Regierungspräsidenten Walter Lübke in Kassel wurde öffentlich viel versprochen. Da passierte danach aber zu wenig. Auf Bundesebene werden Gesetze verschärft. Das wird dann aber auf kommunaler Ebene nicht umgesetzt.»

Alarmierender Rechtsextremismus in der Polizei

Zu den zentralen Themen von Grünen-Abgeordneten Irene Mihalic gehört der Kampf gegen Rechtsextremismus. Sie war früher selber Polizistin und sass schon in diversen Untersuchungsausschüssen zur Aufarbeitung rechtsextremer Taten. Ein besonderes Problem seien Rechtsextreme in Sicherheitsbehörden.

Diese Leute sind gut ausgebildet, haben guten Zugang zu Informationen und sind geübt an der Waffe. «Wenn wir diesen besonderen Fähigkeiten dann eine rechtsextremistische Gesinnung hinzufügen, ist das eine toxische Mischung. Das ist alarmierend und man muss sich grosse Sorgen machen, dass da Dinge passieren, die uns allen nicht gefallen», so Mihalic.

Deswegen sei dieses Phänomen unbedingt sehr ernst zu nehmen. Und es brauche natürlich auch nicht nur eine klare Ansprache, sondern auch tatsächlich die Möglichkeiten, solche Leute aus dem Dienst zu entfernen, sagt die Grünen-Abgeordnete und ergänzt: «Man muss sie aber erst einmal erkennen.»

Das Wissen sei da, aber es fehle in den Behörden

«Wo ich mir in der Tat auch von der Bundesinnenministerin mehr Aktionen wünsche, ist die Analysefähigkeit in den Sicherheitsbehörden zu verbessern», sagt Irene Mihalic. Sie kritisiert: «Wir haben es auch gerade im Fall von Rechtsterrorismus häufig mit der Aussage zu tun, dass es sich um Einzelfälle handle oder um Einzeltäter, die nicht eingebunden sind in irgendwelche strukturellen Netzwerke.»

Die Ex-Polizistin merkt an: «Dem können wir nicht zustimmen, weil uns die Wissenschaft einen anderen Befund liefert.» Zudem nützten alle Massnahmen nichts ohne Prävention, so Irene Mihalic. Man könne eben nicht nur auf Law and Order setzen: «Wenn man Nazis sagt, ihr dürft jetzt keine Nazis mehr sein, dann werden sie das nicht von alleine machen.»

«Da braucht es breit angelegte Massnahmen, was auch wirklich verhindert, dass beispielsweise Jugendliche sich dem Rechtsextremismus zuwenden oder dass Gruppen mit Desinformationen arbeiten und versuchen, die Gesellschaft zu spalten», fordert Mihalic. «Da ist einfach in der Vergangenheit viel zu wenig gemacht worden.» Es brauche einen langen Atem, aber es gehe vorwärts. Das mache sie zuversichtlich.

Echo der Zeit, 08.04.2022, 18:00 Uhr

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