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Alles verschenkt Das Januarloch in Afrika

An Weihnachten die Familie besuchen, das ist auch in Afrika Tradition. Und mit leeren Händen darf niemand kommen.

Die Tradition: Wer in der Stadt arbeitet, reist an Weihnachten zur Familie aufs Land. Wer in der Stadt eine Arbeit gefunden hat, ist für die Dorfbewohner ein vom Schicksal Auserwählter. Und nach afrikanischer Tradition hat nach der Jagd das ganze Dorf Anrecht auf die Beute. «Teile alles, was du hast, mit deinen Verwandten», heisst das oberste Familiengesetz. Es ersetzt den Wohlfahrtsstaat, denn es gibt meist keine Sozialversicherungen.

Die Familie: Sie ist ein riesiges, verknüpftes Netz aus Brüdern und Schwestern. Die Verwandtschaftsgrade können sich im Verlauf des Lebens ändern. Ein Onkel kann bei einem Todesfall zum Vater werden, ein Bruder zum Ehemann und Cousins zu Brüdern. Für den Bruder muss man bei Bedarf mehr beisteuern als für eine entfernte Tante, aber zahlen muss man immer.

Die Begehrlichkeiten: «Sie glauben, der Besucher wird ihre Probleme für das kommende Jahr lösen», sagt Geoffry Moses, der in Nairobi arbeitet. «Die Familie kommt zu mir und sagt, wir brauchen von dir eine Kuh oder drei Säcke Mais für die Hochzeit deines Cousins – oder wenn die Tante im vergangenen Jahr im Spital war und die Rechnung über 2000 Franken noch nicht bezahlt ist, muss dieser Betrag in der Familie aufgeteilt werden.»

Die Familie kommt zu mir und sagt, wir brauchen von dir eine Kuh oder drei Säcke Mais für die Hochzeit deines Cousins.
Autor: Geoffry Moses Angestellter in Nairobi

Die Konsequenzen: Die Widrigkeiten Afrikas überlebt man nur als Grossfamilie. Doch dieses System treibt manche, die es in Nairobi zu einem kleinen Wohlstand gebracht haben, in den Ruin. Es ist so nicht möglich, etwas auf die Seite zu legen, sich Land zu kaufen oder ein Geschäft aufzubauen. Auch wer ein vernünftiges Einkommen hat, kommt auf keinen grünen Zweig. Und wer sich weigert, zu bezahlen, wird beschimpft und verwünscht. Westlicher Individualismus ist in Afrika gleichbedeutend mit Unglück. «Und wenn ich eines Tages ins Dorf zurückziehe und ein Problem habe, wird mir niemand helfen», sagt Geoffry Moses.

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