Am Abend hat das britische Unterhaus über acht alternative Brexit-Ansätze beraten – sämtliche Anträge wurden abgelehnt. Wie sich das Parlament das künftige Verhältnis zur EU vorstellt, ist damit weiterhin unklar. SRF-Korrespondent Martin Alioth erklärt, wie es nun weitergehen könnte.
SRF News: Alle acht Vorschläge zum Austritt aus der EU wurden abgelehnt. Was haben die Diskussionen gebracht?
Martin Alioth: Man kann aus der Ablehnung aller acht Vorschläge ablesen, dass das Unterhaus als Ganzes einen Kurswechsel in Richtung eines weicheren Brexit vollzogen hat; in Richtung einer engeren Anlehnung an die EU, als das bisher vorgesehen war. Wenn nun zum Beispiel am nächsten Montag in einer zweiten Runde die Anzahl Optionen verringert wird, kann ich mir durchaus vorstellen, dass sich hier allmählich ein Konsens abzeichnet.
Primäre Option ist immer noch der Brexit-Deal, den Premierministerin Theresa May ausgehandelt hat. Sind dessen Chancen gestiegen?
Ein bisschen, aber in unendlich kleinen Schrittchen. Es geht hier um das Scheidungsabkommen; die Voraussetzung dafür, dass es überhaupt einen Vertrag gibt, und damit auch eine Übergangsperiode. Ein Rückschlag war, als die zehn Abgeordneten der nordirischen Verbündeten gestern klar sagten, sie lehnten diesen Vertrag weiterhin ab. Damit wird Mays Aufgabe noch schwerer.
Kann Mays Plan, zurückzutreten, sofern das Parlament beim dritten Anlauf Ja sagt zu ihrem Abkommen, trotzdem noch aufgehen?
Es ist nicht ganz auszuschliessen. Aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass dieser Köder, sie werde die Verhandlungen über das künftige Verhältnis nicht selbst führen, genügend Zweifler und Kritiker auf ihre Seite zieht. Morgen ist der letzte Tag, an dem eine solche Abstimmung stattfinden könnte. May startet mit einer Minderheit. Sie wird es nur bei Aussicht auf einen Sieg tun.
Warum zeigte dieses Rücktrittsangebot keine wesentliche Wirkung?
Die Lager sind zu starr und unflexibel geworden, als dass diese Ankündigung wirklich grosse Verschiebungen hätte bringen können. May kämpft hier um ein Abkommen, das schon zweimal haushoch im Unterhaus abgelehnt wurde.
Wenn man die Resultate anschaut, wird klar, dass das Parlament den vertragslosen Zustand wuchtig ablehnt.
Die Bedingungen des Austritts aus der EU – dabei es geht um Bürgerrechte, Geld und die irische Grenze – scheinen nach wie vor unverdaulich zu sein.
Gestern haben mehrere Tories angekündigt, das Abkommen doch noch zu unterstützen, sollte May zurücktreten. Unter ihnen auch der ehemalige Aussenminister Boris Johnson. Wieso hat er seine Meinung geändert?
Die sarkastische Antwort wäre: Weil er selbst Premierminister werden möchte und dies seine Chancen verbessert. Aber konkret: Es gibt nicht genügend Leute, die sicherstellen wollen, dass May nicht die Verhandlungsführerin in der zweiten, wichtigeren Verhandlungsrunde ist. Sie sind der Meinung, die Premierministerin habe die bisherigen Verhandlungen suboptimal geführt.
Wie geht es jetzt weiter in diesem Prozess?
Wenn man die gestrigen Resultate anschaut, wird klar, dass das Parlament den vertragslosen Zustand wuchtig ablehnt. Erhält ein Konsensvorschlag am Montag eine absolute Mehrheit, müsste die Regierung damit nach Brüssel gehen und sagen: Das ist unsere Zukunftsvorstellung, das hätten wir gern.
Das Gespräch führte Roger Aebli.