Die Corona-Krise hemmt den Handel über Landesgrenzen hinweg. Die Menschen bleiben zu Hause, unterwegs sind nur noch die Gütertransporte, damit die Ladenregale weiter gefüllt sind. Unterwegs allerdings unter erschwerten Bedingungen.
Einer, der täglich Waren von und nach Italien transportiert, ist Fuhrhalter Daniel Schöni. Mit dem Lockdown wurde für ihn und seine Chauffeure einiges anders. Grund für den Chef, sich selbst ein Bild vor Ort zu machen. SRF-Wirtschaftsredaktor Dario Pelosi hat ihn auf seiner Reise mit dem Lastwagen nach Neapel und zurück virtuell begleitet.
Tag 1, 6:00 Uhr: Vor der CPH Papierfabrik im luzernischen Perlen stehen Lastwagen mit Nummernschildern aus ganz Europa in Reih und Glied. Daniel Schöni manövriert seine rote Zugmaschine millimetergenau unter einen Aufleger und erklärt: «Ich habe jetzt gerade meinen Aufleger aufgesattelt. Es sind 24 Tonnen Zeitungspapier.»
Eigentlich sollte jeder Lastwagen mit Ware ins Ausland fahren und mit Importgütern zurückkehren – Tempi passati. «Das Importvolumen beläuft sich auf ungefähr einem Drittel des Normalen. Der Export ist komplett zusammengebrochen. Wir müssen über jede Export-Ladung dankbar sein. Es geht fast nichts mehr zum Land raus.»
Der Chef will mit anpacken
Ökonomisch setzt die Krise dem Unternehmen zu, emotional auch den Fahrern, die trotzdem noch unterwegs sind. Das sehe er in deren Gesichtern, sagt der 49-jährige Schöni. Deshalb werde er sich nun als Chef selber hinters Steuer setzen.
«Wir sind mit rund 200 Fahrzeugen in Italien tätig.» Da frage man sich schon, wie es für seine Angestellten sei, in einem Land zu arbeiten, das so im Fokus steht. «Ich glaube, es ist ein gutes Zeichen gegenüber der Mannschaft, mit anzupacken.»
Im zweiten Lastwagen begleitet ihn Werner Portner, ein befreundeter ehemaliger Fuhrhalter. Vor dem Start besprechen sie ihre Route bis zur Grenze. Um 6:30 Uhr geht es los.
LKW-Fahrt Schweiz-Neapel
Tag 1 endet auf einem Kiesplatz südlich von Florenz – keinen Kaffee unterwegs – die Bars sind geschlossen. Statt in der Trattoria sitzt Daniel Schöni vor dem Kühlergrill bei Rösti mit Spiegeleiern und Bratwürsten vom Kocher. Er sei gut in der Zeit, niemand am Zoll wolle diskutieren, alle gingen auf Distanz, meldet Schöni per Telefon in die Schweiz.
Und die Autostrada del Sole, die grosse Nord-Süd-Autobahn – leer. «Bei der grossen Mautstelle südlich von Mailand standen etwa zehn Polizeiautos und alles war abgeriegelt. Jedes Auto musste anhalten», gibt Schöni weiter durch.
Später am Abend ein weiteres Telefonat mit Chauffeur Schöni. Sie hätten ihre Lastwagen auf einem Parkplatz direkt am Strand parkiert und dort gekocht. Das habe der Polizei gar nicht gepasst. «Das war ein grosses Problem, denn der Strand ist Sperrgebiet. Und wir hätten nicht mal eine Schutzmaske an und es sei eine Fussgängerzone. Es war eine grosse Aufregung.» Also: umparkieren.
Tag 3 endet am Simplonpass – und der Meldung, sie hätten auf der ganzen Strecke dem Meer entlang keinen einzigen Sonnenschirm gesehen – die berühmten Adria-Strände sind menschenleer.
Nach vier Tagen Fahrt hat Daniel Schöni den Lastwagen wieder in der Zentrale parkiert und das WC-Papier aus Napoli in der Schweiz abgeliefert. Nun tankt er sein Fahrzeug auf und versucht die Erlebnisse in Worte zu fassen: Ganz Italien hinter Masken. «Es kommt einem vor, als würden lauter Bankräuber auf den Strassen herumfahren.»
Er sei stolz auf seine Leute, die diesen Job täglich machen, aber er kommt auch ins Grübeln. Kaum ein Lastwagen um ihn herum habe sich an die Ruhezeiten oder Geschwindigkeitsregeln gehalten, alle am Limit unterwegs – und darüber hinaus. Die Coronakrise fordere hier sicher ihren Tribut – im Transportgeschäft, das sonst bereits in einem bitteren Kampf um Preise steht.