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Amerikanischer «Peacemaker» Der Friedensnobelpreis – Trumps Lieblingsmedaille

Der Friedensnobelpreis wird seit 1901 an jene Person vergeben, die gemäss Alfred Nobels Testament «der Menschheit den grössten Nutzen» gebracht hat. Das weckt die Begehrlichkeiten des US-Präsidenten, lässt das zuständige Preiskomitee aber kalt.

Der Anruf kam am helllichten Tag. Norwegens sozialdemokratischer Finanzminister Jens Stoltenberg spazierte Ende Juli durch einen Park im Herzen von Oslo, als sein Mobiltelefon einen eingehenden Anruf aus den USA registrierte: «Es war Donald», bestätigt der frühere Generalsekretär der westlichen Militärallianz Nato und langjähriger norwegischer Regierungschef auf Anfrage.

Mein stolzestes Vermächtnis wird das eines Friedensstifters und Einigers sein.
Autor: Donald Trump US-Präsident

Gemäss der Wirtschaftszeitung «Dagens Naeringsliv», die Einblick in eine US-Abschrift des Gesprächs erhielt, sprach der US-Präsident dabei zwei seiner aktuellen Lieblingsthemen an: die Zölle und den Friedensnobelpreis.

Konferenz im Büro mit mehreren Personen und amerikanischen Flaggen.
Legende: Jens Stoltenberg und Donald Trump treffen sich 2019 zu Gesprächen im Oval Office. NATO

Der 79 Jahre alte Immobilienmilliardär trat zu Beginn dieses Jahres seine Amtszeit mit einer Programmerklärung an: «Mein stolzestes Vermächtnis wird das eines Friedensstifters und Einigers sein.» Vor wenigen Wochen nun zog Trump vor der UNO-Generalversammlung bereits Bilanz: «Ich habe in nur sieben Monaten sieben Kriege beendet, das hat vorher noch kein Präsident und auch kein Land geschafft, ich habe es getan.»

Zu diesen gelösten, gemäss Trump aber «unlösbaren» Konflikten zählt der amerikanische Staatschef unter anderen den langjährigen Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien, das spannungsgeladene Verhältnis Pakistans mit Indien sowie die Beziehungen Serbiens zu Kosovo: «Alle sagen, dass ich dafür den Friedensnobelpreis bekommen soll», erklärte Trump.

Hier hat Trump nach eigenen Aussagen Frieden geschlossen:

Während die Einschätzungen, inwiefern die genannten Konfliktherde tatsächlich befriedet worden sind, stark auseinandergehen, nutzen führende Politiker weltweit den Friedensnobelpreiswunsch des Präsidenten, um sich mit ihm auf guten Fuss zu stellen. Etwa der aserbaidschanische Machthaber Ilham Aliyev: «Kein anderer verdient diese Auszeichnung mehr als Donald Trump.»

Drei Männer in Anzügen schütteln sich die Hände in elegantem Raum.
Legende: Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev (links), US-Präsident Donald Trump und der armenische Premierminister Nikol Paschinjan (rechts) reichen sich während einer Unterzeichnungszeremonie im Weissen Haus die Hände. Keystone/Nathan Howard

Oder der durch den Internationalen Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen zur Fahndung ausgeschriebene israelische Regierungschef: Bei einem Besuch im Weissen Haus präsentierte Benjamin Netanjahu neulich sein Nominierungsschreiben an das «Norwegische Nobelkomitee» mit den Worten: «Sie haben diese Auszeichnung verdient, Mr. President!»

Fahrradfahrer vor historischem Gebäude an einer Strasse.
Legende: Das Nobel-Institut steht in der norwegischen Hauptstadt Oslo. SRF/Bruno Kaufmann

Donald Trumps unbekümmertes Streben nach der Auszeichnung – deren diesjähriger Träger am kommenden Freitagmittag, dem 10. Oktober, am Nobel-Institut in der norwegischen Hauptstadt Oslo bekannt gegeben wird – lenkt das Scheinwerferlicht auf ein weltweit einzigartiges Preissystem: «In den letzten bald 125 Jahren ist es uns gelungen, den Willen des schwedischen Industriellen Alfred Nobel nachhaltig zu verwalten», betont Kristian Berg Harpviken im Gespräch gegenüber SRF.

Als Direktor des norwegischen Nobel-Instituts und Sekretär des Nobelkomitees, das die Friedensnobelpreisträger auswählt, spielt der 64 Jahre alte Soziologe eine Schlüsselrolle bei der Vergabe: «Ich unterstütze das Komitee bei der Evaluation möglicher Preisträgerinnen und Preisträger bei allen Schritten.»

Mann steht neben einer Statue vor einer marmorierten Wand.
Legende: Kristian Berg Harpviken steht vor der Büste des Gründers dieses Preises: Alfred Nobel. SRF/Bruno Kaufmann

Der Schwede Alfred Nobel gilt als Erfinder des Dynamits und wurde durch Kriegsmaterialexporte im 19. Jahrhundert steinreich. Sein schlechtes Gewissen bezüglich der Folgen seines Schaffens bewog den 1896 verstorbenen Industriellen dazu, sein ganzes Vermögen in Preise verschiedener Kategorien zu investieren: Dazu gehören die in dieser Woche wieder einmal verkündeten Auszeichnungen für Medizin, Physik, Chemie und Literatur.

Diese Preise werden in Stockholm auserkoren, der Friedenspreis aber gemäss Nobels Testament von einem «Komitee in Norwegen», denn bis zum Jahr 1905 gehörte Norwegen zum schwedischen Königreich. Die fünf Mitglieder des Friedenspreiskomitees werden vom norwegischen Parlament gemäss Parteistärken gewählt, sind aber – so Nobel-Chef Harpviken – in «ihrer Entscheidung völlig unabhängig und frei».

Organisationen wieder Favoriten für den Preis

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Im letzten Jahr erhielt die japanische Organisation Nihon Hidankyo den Friedensnobelpreis für «ihr Bemühen um eine atomwaffenfreie Welt». Insgesamt sind in den letzten 124 Jahren 105 Friedensnobelpreise verliehen worden – davon 31 an Organisationen. 

Auch in diesem Jahr prophezeien gut informierte Kreise in der norwegischen Hauptstadt wieder eine Organisation als Preisgewinner. Laut der Direktorin des norwegischen Friedensforschungsinstitutes Prio, Nina Græger, handelt sich dabei um Organisationen, die sich für den Schutz freier Medien, das internationale Recht oder einen nachhaltigen Umweltschutz einsetzen.

Auf Grægers Liste stehen derzeit unter anderem das «Komitee zum Schutz von Journalisten» (CPJ), die «Sudan Emergency Response Room» (ERR) sowie das OSZE Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODHIR). 

Der Friedensnobelpreis gilt als politischer Preis und sorgt regelmässig für Streitigkeiten innerhalb und ausserhalb Norwegens: Als im Jahre 1994 ein Trio, bestehend aus dem israelischen Aussenminister Shimon Peres, dem israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin und dem ersten Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde Yassir Arafat, für seinen Einsatz im Nahostfriedensprozess ausgezeichnet wurde, kam es im Vorfeld zu Indiskretionen und zu einem Bruch innerhalb des Komitees.

Immer wieder versuchten Lobbyorganisationen ausländischer Regierungen, die begehrte Trophäe zu ergattern, die derzeit einen Wert von gut zehn Millionen Franken hat. In mindestens zwei Fällen gelang dies auch: 1973 bekam der japanische Ministerpräsident Eisaku Sato als erste asiatische Person den Preis, im Jahre 2000 der koreanische Staatschef Kim Dae-Jung. In beiden Fällen gibt es Belege für massive Beeinflussungsversuche. Eher überrascht war dann im Jahr 2009 der frisch gewählte US-Präsident Barack Obama über die hohe Ehre – und stachelt nun Donald Trump an, mit seinem Vorgänger gleichzuziehen.

Die umstrittenen Friedensnobelpreisträger

Die aktuelle Aufregung um den Friedensnobelpreis lässt die Verantwortlichen in Oslo jedoch kalt: «Historisch betrachtet hat es wenig geholfen, sein Wirken auf einen Friedensnobelpreis auszurichten», betont Kristian Berg Harpviken und betont stattdessen, dass das Komitee mit der Auszeichnung Personen ehren und dabei auch aktiv unterstützen möchte, ihre Friedensbemühungen noch viel bekannter zu machen. Und genau diese Hilfe braucht der in der Weltöffentlichkeit allgegenwärtige US-Präsident nicht mehr.

Echo der Zeit vom 6.10.2025, 18 Uhr;brus;liea

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