Der Anruf kam am helllichten Tag. Norwegens sozialdemokratischer Finanzminister Jens Stoltenberg spazierte Ende Juli durch einen Park im Herzen von Oslo, als sein Mobiltelefon einen eingehenden Anruf aus den USA registrierte: «Es war Donald», bestätigt der frühere Generalsekretär der westlichen Militärallianz Nato und langjähriger norwegischer Regierungschef auf Anfrage.
Mein stolzestes Vermächtnis wird das eines Friedensstifters und Einigers sein.
Gemäss der Wirtschaftszeitung «Dagens Naeringsliv», die Einblick in eine US-Abschrift des Gesprächs erhielt, sprach der US-Präsident dabei zwei seiner aktuellen Lieblingsthemen an: die Zölle und den Friedensnobelpreis.
Der 79 Jahre alte Immobilienmilliardär trat zu Beginn dieses Jahres seine Amtszeit mit einer Programmerklärung an: «Mein stolzestes Vermächtnis wird das eines Friedensstifters und Einigers sein.» Vor wenigen Wochen nun zog Trump vor der UNO-Generalversammlung bereits Bilanz: «Ich habe in nur sieben Monaten sieben Kriege beendet, das hat vorher noch kein Präsident und auch kein Land geschafft, ich habe es getan.»
Zu diesen gelösten, gemäss Trump aber «unlösbaren» Konflikten zählt der amerikanische Staatschef unter anderen den langjährigen Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien, das spannungsgeladene Verhältnis Pakistans mit Indien sowie die Beziehungen Serbiens zu Kosovo: «Alle sagen, dass ich dafür den Friedensnobelpreis bekommen soll», erklärte Trump.
Hier hat Trump nach eigenen Aussagen Frieden geschlossen:
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Bild 1 von 7. Israel und Iran. Bildquelle: srf.
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Bild 2 von 7. Armenien und Aserbaidschan. Bildquelle: srf.
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Bild 3 von 7. Serbien und Kosovo. Bildquelle: srf.
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Bild 4 von 7. Kongo und Ruanda. Bildquelle: srf.
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Bild 5 von 7. Thailand und Kambodscha. Bildquelle: srf.
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Bild 6 von 7. Pakistan und Indien. Bildquelle: srf.
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Bild 7 von 7. Ägypten und Äthiopien. Bildquelle: srf.
Während die Einschätzungen, inwiefern die genannten Konfliktherde tatsächlich befriedet worden sind, stark auseinandergehen, nutzen führende Politiker weltweit den Friedensnobelpreiswunsch des Präsidenten, um sich mit ihm auf guten Fuss zu stellen. Etwa der aserbaidschanische Machthaber Ilham Aliyev: «Kein anderer verdient diese Auszeichnung mehr als Donald Trump.»
Oder der durch den Internationalen Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen zur Fahndung ausgeschriebene israelische Regierungschef: Bei einem Besuch im Weissen Haus präsentierte Benjamin Netanjahu neulich sein Nominierungsschreiben an das «Norwegische Nobelkomitee» mit den Worten: «Sie haben diese Auszeichnung verdient, Mr. President!»
Donald Trumps unbekümmertes Streben nach der Auszeichnung – deren diesjähriger Träger am kommenden Freitagmittag, dem 10. Oktober, am Nobel-Institut in der norwegischen Hauptstadt Oslo bekannt gegeben wird – lenkt das Scheinwerferlicht auf ein weltweit einzigartiges Preissystem: «In den letzten bald 125 Jahren ist es uns gelungen, den Willen des schwedischen Industriellen Alfred Nobel nachhaltig zu verwalten», betont Kristian Berg Harpviken im Gespräch gegenüber SRF.
Als Direktor des norwegischen Nobel-Instituts und Sekretär des Nobelkomitees, das die Friedensnobelpreisträger auswählt, spielt der 64 Jahre alte Soziologe eine Schlüsselrolle bei der Vergabe: «Ich unterstütze das Komitee bei der Evaluation möglicher Preisträgerinnen und Preisträger bei allen Schritten.»
Der Schwede Alfred Nobel gilt als Erfinder des Dynamits und wurde durch Kriegsmaterialexporte im 19. Jahrhundert steinreich. Sein schlechtes Gewissen bezüglich der Folgen seines Schaffens bewog den 1896 verstorbenen Industriellen dazu, sein ganzes Vermögen in Preise verschiedener Kategorien zu investieren: Dazu gehören die in dieser Woche wieder einmal verkündeten Auszeichnungen für Medizin, Physik, Chemie und Literatur.
Diese Preise werden in Stockholm auserkoren, der Friedenspreis aber gemäss Nobels Testament von einem «Komitee in Norwegen», denn bis zum Jahr 1905 gehörte Norwegen zum schwedischen Königreich. Die fünf Mitglieder des Friedenspreiskomitees werden vom norwegischen Parlament gemäss Parteistärken gewählt, sind aber – so Nobel-Chef Harpviken – in «ihrer Entscheidung völlig unabhängig und frei».
Der Friedensnobelpreis gilt als politischer Preis und sorgt regelmässig für Streitigkeiten innerhalb und ausserhalb Norwegens: Als im Jahre 1994 ein Trio, bestehend aus dem israelischen Aussenminister Shimon Peres, dem israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin und dem ersten Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde Yassir Arafat, für seinen Einsatz im Nahostfriedensprozess ausgezeichnet wurde, kam es im Vorfeld zu Indiskretionen und zu einem Bruch innerhalb des Komitees.
Immer wieder versuchten Lobbyorganisationen ausländischer Regierungen, die begehrte Trophäe zu ergattern, die derzeit einen Wert von gut zehn Millionen Franken hat. In mindestens zwei Fällen gelang dies auch: 1973 bekam der japanische Ministerpräsident Eisaku Sato als erste asiatische Person den Preis, im Jahre 2000 der koreanische Staatschef Kim Dae-Jung. In beiden Fällen gibt es Belege für massive Beeinflussungsversuche. Eher überrascht war dann im Jahr 2009 der frisch gewählte US-Präsident Barack Obama über die hohe Ehre – und stachelt nun Donald Trump an, mit seinem Vorgänger gleichzuziehen.
Die umstrittenen Friedensnobelpreisträger
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Bild 1 von 4. Von links nach rechts: Yassir Arafat (Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde), Shimon Peres (Aussenminister, Israel) und Jitzchak Rabin (Ministerpräsident, Israel) erhalten den Friedensnobelpreis für ihre Bemühungen um Frieden im Nahen Osten. Bildquelle: Reuters/Jerry Lampen.
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Bild 2 von 4. Der südkoreanische Präsident Kim Dae-Jung gewinnt im Jahr 2000 den Friedensnobelpreis für seinen Einsatz für Demokratie und Menschenrechte in Südkorea und in Ostasien im Allgemeinen sowie für Frieden und Versöhnung mit Nordkorea im Besonderen. Bildquelle: Keystone/Lise Aserund.
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Bild 3 von 4. 2009 gewinnt der damalige US-Präsident Barack Obama den Friedensnobelpreis für seine aussergewöhnlichen Bemühungen zur Stärkung der internationalen Diplomatie und der Zusammenarbeit zwischen den Völkern. Bildquelle: Keystone/Jhon McConnico .
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Bild 4 von 4. Der damalige japanische Premierminister Eisaku Sato gewann 1974 den Friedensnobelpreis. Er war ein umstrittener Politiker. Die japanische Linke warf ihm vor, ein gehorsamer Diener amerikanischer Interessen zu sein. Hier zu sehen mit Richard Nixon. Bildquelle: Keystone/AP/RH.
Die aktuelle Aufregung um den Friedensnobelpreis lässt die Verantwortlichen in Oslo jedoch kalt: «Historisch betrachtet hat es wenig geholfen, sein Wirken auf einen Friedensnobelpreis auszurichten», betont Kristian Berg Harpviken und betont stattdessen, dass das Komitee mit der Auszeichnung Personen ehren und dabei auch aktiv unterstützen möchte, ihre Friedensbemühungen noch viel bekannter zu machen. Und genau diese Hilfe braucht der in der Weltöffentlichkeit allgegenwärtige US-Präsident nicht mehr.