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Angriff auf die Ukraine Fünf Erkenntnisse nach einem Jahr Krieg

Am 24. Februar jährt sich der russische Überfall auf die Ukraine. Die Russland-Korrespondentin Luzia Tschirky und der internationale Korrespondent Sebastian Ramspeck haben die Fragen der Community im Chat beantwortet. Fünf spannende Erkenntnisse.

1. Atomwaffen und das Ende des Krieges

Der Einsatz von Atomwaffen bereitet der Community grosse Sorge. Ist ein solches Szenario denkbar, wollten einige Userinnen und User wissen. Luzia Tschirky meinte, der Einsatz von Atomwaffen könne nie ganz ausgeschlossen werden. Einen Atomkrieg halte sie derzeit aber für wenig realistisch. Als Folgefrage wollten die Chat-Teilnehmenden wissen, wann und wie der Krieg enden wird. Luzia Tschirky: «Zurzeit zeichnet sich leider noch kein Ende des Krieges ab, auch wenn Wolodimir Selenski sich auf den Standpunkt stellt, ein Sieg der Ukraine sei noch bis Ende dieses Jahres möglich.»

Sebastian Ramspeck hält folgendes Szenario für am wahrscheinlichsten: «Kein rascher militärischer Sieg von Russland und auch nicht der Ukraine, keine Veränderung der politischen Absichten, kein Friedensschluss, aber auch kein Atomkrieg. Ein Krieg, der leider noch sehr lange in der heutigen Form dauern wird, noch Jahre. Entscheidend wird sein, wer, salopp gesagt, den «längeren Atem» hat.

2. Die Schweizer Neutralität

Auch die Frage der Schweizer Neutralität war ein Anliegen der Community. Die Neutralität verhindere, dass die Ukraine Schweizer Waffen und Munition erhalte. Würde die Schweiz damit nicht den russischen Aggressor passiv unterstützen, lautete eine Frage. Sebastian Ramspeck: «Die Ukraine hätte natürlich gerne Waffen aus der Schweiz, um die russischen Truppen auf dem eigenen Territorium noch stärker zu bekämpfen. Dass neutrale Staaten wie die Schweiz selbst keine Waffen liefern, wird von der Ukraine und fast allen anderen Ländern akzeptiert. Umstritten ist, ob ursprünglich aus der Schweiz stammende Waffen zum Beispiel von Deutschland weitergegeben werden dürfen. Die Schweiz müsste dafür ihre Gesetze ändern. Ob sie das soll oder nicht, entscheidet das Parlament, das Stimmvolk.»

3. Waffenlieferung an die Ukraine

Die Waffenlieferungen an die Ukraine haben viele Fragen aufgeworfen. Unter anderem wollte die Community wissen, wie effektiv die Waffenlieferungen waren und was passiert wäre, wenn die Ukraine keine Hilfe erhalten hätte. Luzia Tschirky: «Ohne Waffenlieferungen aus dem Westen hätte die Ukraine in den vergangenen Monaten sich nicht gegen die russische Armee verteidigen können.» So sieht es auch Sebastian Ramspeck: «Meiner Einschätzung nach hätte Russland sicher in kürzester Zeit die Ukraine besetzt, Selenski entfernt und die Ukraine möglicherweise ins russische Staatsgebiet integriert. Und das Signal für Putin wäre klar gewesen: Es ist ganz einfach, ein anderes Land zu überfallen und einzunehmen.»

4. Die Haltung der russischen Bevölkerung

Wie reagiert die russische Bevölkerung auf den Krieg? Aus Schweizer Sicht sei die Reaktion der russischen Bevölkerung in der Tat schwer nachvollziehbar, erklärt Luzia Tschirky. «Eine grosse Mehrheit der Menschen in Russland fühlt sich nicht in der Lage, politisch im Land etwas verändern zu können. Demokratische Wahlen, wie wir sie hier in der Schweiz kennen, gibt es seit Jahren nicht mehr in Russland. Die Möglichkeiten, die eigene Meinung zu äussern und zu demonstrieren, wurden seit 2012 massiv eingeschränkt. Jede Person, die in Russland dennoch wagt, sich öffentlich gegen den Angriffskrieg zu äussern, muss mit einer Haftstrafe rechnen.»

5. Die Folgen des Krieges

Wer den Krieg miterlebt hat, sei danach schwer traumatisiert. Wie könne die Schweiz den betroffenen Ukrainerinnen und Ukrainern helfen? Luzia Tschirky: «Dies ist in der Tat eines der grössten Probleme für die Menschen in der Ukraine. Ich selbst habe mit Dutzenden schwerst traumatisierten Menschen gesprochen, die seit Monaten keine professionelle psychologische Betreuung erhalten haben. Sollten Schweizer Fachspezialistinnen und Spezialisten den Menschen in der Ukraine Hilfe anbieten wollen, wäre diese Hilfe in der Ukraine auf alle Fälle sehr willkommen.»

10vor10, 23.2.2023, 21:50 Uhr

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