Ilu Pathni schaut sorgenvoll hinauf zum Krater. Dieser ist nur neun Kilometer von ihrem Dorf entfernt und lässt ab und zu Rauch und Asche in die Luft. Die alte Bäuerin hat eine Opfergabe für die Götter zubereitet: Reis, Blumen und Blätter von jungen Kokosnussbäumen. Das soll die Götter gnädig stimmen, schliesslich wollen Ilu und ihr Mann Wayan im Dorf bleiben.
Es ist das letzte Dorf an der Ostseite des Vulkans Agung, der hier ins tiefblaue Meer abfällt. Die Hänge sind trocken, die Vegetation viel karger als auf der anderen Bergseite. Wasser sei schon immer ein Problem gewesen, erinnert sich der 70-jährige Wayan. Erst recht nach dem grossen Vulkanausbruch im Jahr 1963. Damals ist alles zerstört worden. «Ich sah die riesigen Steine, Feuer und Lawa herunterdonnern. Es war schrecklich.»
100'000 Menschen fliehen Hals über Kopf
Fast 1600 Menschen kamen 1963 ums Leben. Es war einer der grössten Vulkanausbrüche in der Geschichte Indonesiens. Auch Ilu und Wayans Dorf wurde zerstört. Das Ehepaar floh in den Norden des Landes. Doch nach sechs Jahren kamen sie mit anderen Bewohnern zurück und bauten ihr Dorf wieder auf. Schliesslich gehöre dieses Land seit Generationen seiner Familie, sagt Wayan.
Auf der anderen Vulkanseite, wo Nebel über den grünen Terrassen klebt, schneidet Putu Rai Gras für ihre zwei Kälber. Sie hat sie kürzlich gekauft, da ihre Familie erst vor wenigen Wochen ins Dorf zurückgekehrt ist. Letzten September, als Agung Asche zu sprühen begann und Erdbeben den Boden erschütterten, musste ihre Familie mit über 100'000 Menschen fliehen. Monatelang lebte Putu Rais Familie in einem Regierungslager.
«Die Regierung zwang uns, das Dorf zu verlassen, sonst wären wir geblieben. Wir mussten unsere Kühe und Hühner zum halben Preis verkaufen, weil wir nicht warten konnten», erzählt Putu. «Jetzt haben wir nur noch zwei Kälber gekauft. Angepflanzt haben wir noch nicht, und die Männer arbeiten als Taglöhner. Man weiss ja nie, wann der Vulkan wieder ausbricht.»
Je höher der Berg, umso heiliger ist er
Indonesien liegt auf dem sogenannten Pazifischen Feuerring, wo verschiedene Kontinentalplatten aufeinandertreffen. Wissenschaftler warnen, dass es jederzeit zu einem grösseren Vulkanausbruch kommen könnte. Putus Tochter sagt, sie habe gelernt mit den Launen des Vulkans zu leben: «Wir glauben fest, dass Gott uns beschützen wird. Wir sind ihm hier so nahe.»
Agung sei eben kein gewöhnlicher Vulkan, sondern ein heiliger Berg. Deshalb könnten und wollten die Menschen hier leben, erklärt Mangku Darma. Er ist Hindu-Priester im Besakih Tempel, dem wichtigsten und grössten Tempel von Bali. Der Tempel liegt auf den Ausläufern des Vulkans. «Wir glauben, je höher ein Ort liegt, desto heiliger ist er», sagt Mangku. «Agung ist deshalb besonders heilig. Hier lebt auch Gott Shiva. Und je näher wir bei den Göttern leben, desto mehr Schutz haben wir.»
Alle Opfergaben nützten nichts
Die Götter mit Zeremonien und Opfergaben friedlich zu stimmen sei seine Aufgabe und jene aller Menschen, die hier leben. Dass das wirke, sei 1963 beim grossen Vulkanausbruch klargeworden, erklärt der Hindu-Priester. Damals habe der Tempel kaum Schaden genommen.
Im vergangenen September, als es Asche auf den Tempel regnete, nützten jedoch alle Opfergaben nichts. «Natürlich hatte ich Angst. Ich bin ja auch nur ein Mensch!» Und als solcher habe er sich dann doch auf die Regierung verlassen. Diese evakuierte ihn für drei Monate. Noch hat der Priester das Gottvertrauen, dass es diesmal nicht so weit kommen wird.