Bereits nächste Woche könnte Israel Gebiete im besetzten Westjordanland annektieren. Oder, aus israelischer Sicht: zu israelischem Staatsgebiet erklären. So hat es Ministerpräsident Netanjahu angekündigt.
Für die Palästinenser sind Israels Pläne eine weitere – gemäss Völkerrecht – illegale Annexion ihres Landes. Israel hat eine andere Sicht der Dinge und stützt sich bei seinen Annexionsplänen auf den Nahost-Friedensplan der USA.
Seite an Seite mit Trump
Am 28. Januar stellte US-Präsident Trump diesen Plan feierlich in Washington vor. Über zwei Jahre hatten seine Leute daran gearbeitet – zusammen mit Benjamin Netanjahus Leuten:
Der israelische Premierminister sieht darin eine historische Chance für Israel, im umstrittenen Westjordanland Tatsachen zu schaffen. Künftig sollen das Jordantal und alle jüdischen Siedlungen im Westjordanland zu Israel gehören – ebenso weitere Gebiete, die die USA künftig als Teil Israels anerkennen wollen. So weit, so klar für Netanjahu.
Trumps Plan gibt Netanjahu aber nicht einfach einen Freipass, alles Land zu annektieren. Der Plan beinhaltet auch Gebiete, über die Israel und die Palästinenser verhandeln müssen. In diesen Gebieten soll sich Israel während vier Jahren an einen Siedlungsbau-Stopp halten müssen.
Und dort, wo die USA Israel Annexion erlaubt haben, ist zunächst unklar, wie schnell das passieren darf. US Aussenminister Mike Pompeo macht Israel keine Zeitvorgabe. Er sagt nur: das müsse schlussendlich Israel entscheiden.
Besetzte Gebiete sollen bleiben
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Im israelisch besetzten Westjordanland sollen die heutigen israelischen Siedlungsgebiete sowie das Jordantal von Israel teilweise annektiert werden. Niemand wird umgesiedelt, weder Israeli noch Palästinenser. Aber die Palästinenser fordern einen unabhängigen Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967. Der Nahost-Plan sieht allerdings nur rund 70 Prozent der Fläche des Westjordanlandes für sie vor.
Eine Woche nach dem Besuch Pompeos bei Netanjahu meldete sich Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas zu Wort. Die Palästinensische Autonomiebehörde werde sich nicht mehr an die gültigen Abkommen mit Israel und den USA halten. Auch im Bereich Sicherheit gebe es mit den Israelis keine Zusammenarbeit mehr, sagte der Palästinenserpräsident.
Abbas hatte die Gespräche über den Nahostfriedensplan der USA boykottiert, nachdem die USA Jerusalem 2018 als die ungeteilte Hauptstadt Israels anerkannt hatten. Doch inzwischen reden seine Leute offenbar doch mit den USA. Immerhin sieht Trumps Plan nämlich einen Palästinenserstaat vor. Den bezeichnet Abbas zwar als löchrigen «Schweizer Käse», weil Trumps Karte kein zusammenhängendes Staatsgebiet darstellt.
Der Widerstand dagegen ist gross. Besonders im Nachbarstaat Jordanien, das bei einer Annexion Unruhen befürchtet und eine Kündigung des Friedensabkommens mit Israel nicht ausschliesst. Die EU hat Israel mit Sanktionen gedroht, und prominente US-Demokraten stellen sich öffentlich gegen die Annexionspläne Netanjahus.
«Israel könnte mit symbolischer Annexion starten»
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SRF-Nahost-Korrespondentin Susanne Brunner: «Netanjahu sieht eine historische Chance, Land im Westjordanland zu annektieren und damit in die Geschichtsbücher einzugehen. Trump ist womöglich nur noch bis Ende Jahr im Weissen Haus, auf seine Wiederwahl will Netanjahu nicht wetten respektive warten. Wäre ein Demokrat im Weissen Haus, wäre die Chance vielleicht weg. Zudem ist die Welt mit der Coronakrise beschäftigt – auch in den Palästinensergebieten und Jordanien hat man andere Probleme. Netanjahu rechnet damit, dass die Proteste der Palästinenser nicht so gross sein könnten, wie diese es jeweils ankündigen. Deswegen glaubt Netanjahu, dass es ein guter Moment ist, um Fakten zu schaffen.
Ob er die Annexion vollumfänglich durchsetzen wird, ist aber unklar. Beobachter glauben, dass Netanjahu nicht gleich ab nächster Woche die vollen 30 Prozent des Westjordanlandes annektieren wolle, die ihm der US-Nahostfriedensplan zugesteht. Dafür gibt es gute Argumente. Annektiert Netanjahu 30 Prozent des Westjordanlandes, müsste er – laut dem Plan – den Palästinensern die restlichen 70 Prozent als Staatsgebiet zugestehen.
Zudem hat Jordaniens König Abdullah erst kürzlich in Washington lobbyiert und davor gewarnt, dass eine Annexion die Stabilität seines Landes gefährden könnte. Offenbar mit Erfolg: Israel-nahe Think Tanks waren von Abdullahs Argumenten beeindruckt. Netanjahu kann sie nicht einfach ignorieren.
Deshalb geht man davon aus, dass Netanjahu im Juli eher mit einer symbolischen Annexion bestimmter Siedlungen am Rande des Westjordanlandes beginnen würde. Dies, um Siedlern zu zeigen, dass er es ernst meint. Erst in einer späteren Phase könnte dann mehr Land folgen.»
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