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Anschlag auf Satiremagazin «Charlie Hebdo»-Prozess: 30 Jahre Haft für Hauptangeklagte

  • Nach mehr als 50 Verhandlungstagen ist im Prozess um den islamistischen Terroranschlag auf das französische Satiremagazin «Charlie Hebdo» das Urteil gefallen.
  • Alle 14 Angeklagten sind am Mittwoch in Frankreich schuldig gesprochen worden, die beiden Hauptangeklagten, Ali Riza Polat und Hayat Boumeddiene, zu je 30 Jahren Gefängnis.
  • In sechs Fällen haben die Richter den Vorwurf der terroristischen Vereinigung aber fallen gelassen.

Das Gericht habe festgestellt, dass Ali Riza Polat dem Attentäter Coulibaly in konkreter und detaillierter Weise entscheidend geholfen habe, seine kriminellen Handlungen auszuführen, begründete der Vorsitzende Richter Régis de Jorna dem Sender France Inter zufolge seine Entscheidung. Er habe ausreichend Kenntnis von Coulibalys Absichten gehabt.

Seit Anfang September standen elf mutmassliche Helfer der Terrorserie von 2015 vor Gericht. Damals wurden 17 Menschen getötet. Drei weitere Angeklagte sind flüchtig.

Wegen der Corona-Pandemie war der Prozess rund einen Monat lang unterbrochen worden. Innenminister Gérald Darmanin bewertete den Prozess bereits als historisch. Alle Verhandlungen werden wegen der enormen Bedeutung des Prozesses auf Video aufgezeichnet und archiviert.

Vor einem Sondergericht für Terrorfälle wird nicht nur der Anschlag auf die Redaktion von «Charlie Hebdo» im Januar 2015 verhandelt, sondern auch die anschliessende Attacke auf einen koscheren Supermarkt im Süden von Paris.

Hintergründe zum Hauptverdächtigen

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Als Hauptbeschuldigter gilt der 35-jährige Ali Riza Polat. Er soll bei der Vorbereitung der Anschläge eine zentrale Rolle gespielt haben. Polat hat nach Auffassung der Staatsanwaltschaft dem Attentäter Amédy Coulibaly nahegestanden, der eine Polizistin im Süden von Paris erschoss und am Tag darauf vier Geiseln im Supermarkt tötete.

Nach den Attacken versuchte Polat, sich offenbar über den Libanon nach Syrien abzusetzen. Die Staatsanwaltschaft fordert eine lebenslange Haftstrafe. Der Franzose türkischer Herkunft hatte im Prozess mit seinem Verhalten immer wieder für Aufsehen gesorgt. Er war laut und impulsiv – der Vorsitzende Richter rief ihn oftmals zur Ordnung. Er könne sich nicht für etwas entschuldigen, was er nicht getan habe, erklärte er am letzten Verhandlungstag Berichten zufolge. Polat bestritt, von den Terrorplänen gewusst zu haben.

Auch die anderen Angeklagten, die wie Ali Riza Polat in einer Glasbox im Gerichtssaal sassen, wollen mit Terror nichts zu tun gehabt haben. Die meisten von ihnen bestritten nicht, in Waffen- oder Drogenhandel verstrickt zu sein, einige erzählten sogar mit Stolz, wie gut sie dabei verdient hätten. Nur einer der elf anwesenden Beschuldigten, Christophe R., sitzt aktuell nicht mehr in Haft.

Prozess warf Licht auf Milieu von Vorstadt-Kriminellen

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Der Prozess hat nur bedingt die Hintergründe der grausigen Taten aufklären können. Stattdessen warf er ein Schlaglicht auf das Milieu von Vorstadt-Kriminellen. Diese schilderten teils detailreich ihren Alltag ausserhalb der Gesellschaft mit Gefängnisaufenthalten, kriminellen Deals, Alkohol und Gefälligkeiten. Beschaffte Waffen dienten angeblich für einen Banküberfall, mutmassliche Kurierfahrten für den Besuch von Prostituierten. Niemand aber wollte etwas von den mörderischen Angriffsplänen gewusst haben.

«Dies ist der Prozess der Rädchen, ohne die es keinen Angriff geben könnte», sagte Richard Malka, Anwalt der Satirezeitung «Charlie Hebdo», jüngst dem Sender Franceinfo. Es seien manchmal mittelmässige Gauner an der Basis – aber sie hätten den Terror erst möglich gemacht. Malka berichtete auch, dass er den Gerichtssaal verlassen habe, als ein Video des Angriffs auf «Charlie Hebdo» gezeigt wurde. «Für mich ist es unerträglich, ich habe nicht die Kraft, mir das anzusehen.»

«Eine Kriegszene»

Zu Beginn des Prozess standen weniger die Täter als die schrecklichen Taten und das Leid der Angehörigen im Mittelpunkt. Überwachungsvideos zeigten, wie die Brüder Chérif und Said Kouachi das Satiremagazin mitten in Paris überfielen.

Bei dem Mordanschlag wurden unter anderem die wichtigsten Zeichner des Blattes getötet. Aufnahmen zeigen auch die Redaktionsräume nach dem Angriff. «Eine Kriegszene», beschrieb der damals zuständige Staatsanwalt François Molins, was er im Januar 2015 dort gesehen hatte und nun auch im Gericht gezeigt wurde.

Während der Prozess unter hohen Sicherheitsvorkehrungen im neuen gläsernen Gebäude des Justizpalasts lief, wurde Frankreich wieder Opfer des Terrors – gleich drei Mal innerhalb weniger Wochen. Ein Attentäter griff zwei Menschen vor den ehemaligen Redaktionsräumen von «Charlie Hebdo» an.

Die Staatsanwaltschaft hatte in der vergangenen Woche lange Haftstrafen – von fünf Jahren bis lebenslänglich – gefordert.

Der brutale Mord am Lehrer Samuel Paty löste internationales Entsetzen aus, so wie auch der Anschlag in einer Kathedrale in Nizza. Wieder waren den Erkenntnissen nach die Mohamed-Karikaturen Motiv der Attacken – so wie schon vor knapp sechs Jahren.

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Echo der Zeit, 16.12.2020, 18 Uhr ; 

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