«Wer sowas machen will, kommt überall durch. Egal, wie sie die Buden stellen», sagen drei Frauen, die sich den Aufbau des Weihnachtsmarkts ansehen. «Wir gehen trotzdem, wir lassen uns das nicht nehmen.»
Viele Magdeburgerinnen und Magdeburger aber meiden den Alten Markt sowieso schon grossräumig. Den Geruch von Glühwein werden manche nie mehr ertragen.
«Für die Hinterbliebenen und die Betroffenen ist das zu schnell, wie es jetzt läuft. Sie waren völlig ausser sich, als im März schon klar war, es würde wieder einen Weihnachtsmarkt geben – am selben Ort», sagt Notfallseelsorgerin Doreen Majchrzak.
Nie hätte sie gedacht, dass die Betroffenen so lange noch – neben Therapie – ihre Hilfe benötigen. Schockierend sei auch, dass die Gefahr des Täters trotz vieler Hinweise nicht erkannt worden war. Tatsächlich gab es Versäumnisse bei der Sicherheit.
Niemand übernimmt Verantwortung
«Es ist ein bisschen Verschiebebahnhof», sagt CDU-Politiker Tobias Krull. Er sitzt im parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
Der Täter konnte viel zu leicht auf den Markt fahren. «Es gibt das Gefühl, dass die Verantwortung dafür zwischen Marktbetreiber, Stadt und Land hin- und hergeschoben wird», so Krull.
Kritik am Mammutprozess
Für den Prozess mit gegen 180 Nebenklägern musste eine provisorische Halle in Millionenhöhe gebaut werden. Der Täter bekomme zu viel Raum und das Geld würde die Stadt besser anders verwenden, ist die verbreitete Haltung.
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Bild 1 von 7. Letzten Dezember ist ein 50-jähriger saudischer Staatsbürger mit dem Auto auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg gerast. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 7. Dabei starben fünf Frauen und ein neunjähriger Junge. Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 7. Mehr als 300 Personen wurden verletzt. Bildquelle: SRF.
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Bild 4 von 7. Heute erinnern zahlreiche Installationen an die Tat. Bildquelle: SRF.
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Bild 5 von 7. Bildquelle: SRF.
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Bild 6 von 7. Bildquelle: SRF.
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Bild 7 von 7. Zufahrtssperren aus Beton stehen an einem Weg der zum noch geschlossenen Magdeburger Weihnachtmarkt führt. Bildquelle: Keystone/KLAUS-DIETMAR GABBERT.
Tobias Krull entgegnet, nicht für den Täter sei der Aufwand, er ermögliche vielmehr den Betroffenen einen würdigen Prozess und Rechtssicherheit.
Der saudische Täter passt nicht ins übliche Schema, sieht sich als Islamkritiker und AfD-Sympathisant. Dennoch setzten sich rassistische Pauschalisierungen in der Stadt fest.
Rassistische Übergriffe sorgten für ein Klima der Angst
«Nach Weihnachten versuchte ich, ein Taxi zu bestellen, ganz höflich. Da wurde ich angebrüllt und mit ‹Scheissausländer› beschimpft»: Ketevan Asatiani-Hermann kam 2011 zum Studieren nach Magdeburg. Erstmals erlebte sie Rassismus. Mit den Eltern in Georgien öffentlich zu telefonieren, brauchte Mut. Leute mit Migrationsgeschichte wurden in den Wochen nach dem Anschlag bedroht, angespuckt oder körperlich angegriffen.
Die Migrationsexpertin hilft Jugendlichen bei der Integration. Seit dem Anschlag habe es grosse Rückschritte gegeben: «Da haben wir viele mit Ach und Krach endlich vermittelt, und kurz vor Ende der Ausbildung überlegen sie sich wegzuziehen.»
Herausforderung Wahlkampf 2026
Die radikale Rechte hatte den Anschlag sofort zu instrumentalisieren versucht. Soziologe David Begrich beobachtet in Magdeburg längst eine Normalisierung rechtsextremer Deutungsangebote, denn hier würden viele mit wenig Geld leben, viele beschäftige die Inflation sowie etwa die Frage nach medizinischer Versorgung.
Dass nun 2026 Prozess und Untersuchungsbericht just in den Wahlkampf in Sachsen-Anhalt fallen, bereitet manchen deshalb Sorgen.