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Arabischer Kandidat Wird ein Folterer zum neuen Interpol-Präsidenten?

Verbrecher schafften es bei Interpol mehrfach bis an die Spitze der Behörde. Nun dürfte auf der Generalversammlung sogar ein Folterer zum Präsidenten gewählt werden.

Achmed Naser al-Raisi ist Generalinspektor im Innenministerium der Vereinigten Arabischen Emirate. So weit, so gut. Bekannt und dokumentiert, dank Recherchen von Menschenrechtsorganisationen, ist indes inzwischen, dass al-Raisi Menschenrechtsverbrechen verübt hat und Drahtzieher hinter Folterungen in seiner Heimat war.

Ausgerechnet dieser Mann hat nun beste Chancen, Präsident der Weltpolizeibehörde Interpol zu werden. Gewiss: Das Präsidium ist ein unbezahltes Teilzeitamt. Die entscheidende Figur bei Interpol ist der Generalsekretär – derzeit der hoch angesehene Deutsche Jürgen Stock. Davor der Brite Raymond Kendall, gefolgt vom Amerikaner Ronald Noble.

Altnazi und Verurteilter als Vorgänger

Was die konkrete Arbeit betrifft, hat die Behörde mit Sitz im französischen Lyon also seriöse Chefs. Irritierend anders sieht es jedoch beim symbolträchtigen und deshalb begehrten Posten des Präsidenten aus.

1968 bis 1972 hatte ihn der Deutsche Paul Dickopf inne, ein ehemaliger Nationalsozialist. Er machte später Karriere beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden, das noch lange von Altnazis verseucht war. 2004 bis 2008 amtierte der Südafrikaner Jackie Selebi, der später wegen Korruption in grossem Umfang zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde.

al-Raisi an Rednerpult (2018)
Legende: Al-Raisi ist der Favorit der arabischen Mitgliedsländer, trotz der schweren Vorwürfe. Twitter/@interpol_hq

Bis heute geheimnisumwittert ist der chinesische Apparatschik Meng Hongwei, der 2016 an die Spitze von Interpol gewählt wurde. Zwei Jahre später verschwand er auf einer Reise nach China abrupt, bat angeblich um seinen Rücktritt und wurde verurteilt und eingekerkert. Gemäss Lesart des Regimes in Peking wegen Korruption, gemäss Sichtweise seiner Frau, weil er Reformen anstossen wollte.

Knapp verhindert werden konnte als sein Nachfolger der Russe Alexander Prokopchuk. Er stand im Verdacht, Interpol-Ressourcen zur Jagd auf russische Oppositionelle nutzen zu wollen.

Drei Gründe sprechen für al-Raisi

Und nun scheint die Wahl von Achmed Naser al-Raisi kaum noch zu verhindern. Der Grund – oder besser die Gründe sind:

  1. Bei Wahlen für die Interpol-Spitze läuft es ähnlich wie in UNO-Organisationen. Will heissen: Die persönliche Qualifikation von Kandidaten spielt eine geringere Rolle als deren Nationalität. Und die arabischen Staaten wollen erstmals den Interpol-Präsidenten stellen. Ihr Kandidat ist al-Raisi.
  2. Die Vereinigten Arabischen Emirate, al-Raisis Herkunftsland, stellen Interpol grosszügig 50 Millionen Euro zur Verfügung über eine verschwiegene Stiftung in Genf. Die Summe entspricht dem Jahresbudget der Weltpolizeibehörde und – wohl kein Zufall – den Kosten für den dringenden Ausbau des Hauptsitzes in Lyon.
  3. Bei Interpol wie bei der UNO haben autoritäre Staaten zunehmend die Oberhand. Ihnen ist es egal, ob jemand wie al-Raisi Präsident wird.

Wie bei internationalen Sportverbänden übernehmen deshalb auch bei Interpol mitunter höchst dubiose Gestalten den Präsidentenposten. Bloss geht es hier um sehr viel mehr, spielt Interpol doch eine äussert sensible und immer wichtigere Rolle in der grenzüberschreitenden Verbrechens- und Terrorbekämpfung.

Alle Mitgliedsländer müssten also sehr darauf bedacht sein, Skandale zu vermeiden und honorige Gestalten an die Spitze zu hieven. Das sind sie aber anscheinend nicht.

Rendez-vous, 23.11.2021, 12:30 Uhr

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