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Arbeitsrechtsreform Frankreich Macron kommt den Gewerkschaften entgegen

Die Regierung von Emmanuel Macron hat die Pläne für die Arbeitsrechtsreform in Frankreich bekannt gegeben. Sie will mit mehr Flexibilität die Arbeitslosigkeit bekämpfen. SRF-Korrespondent Charles Liebherr beantwortet die wichtigsten Fragen dazu.

Kommt es zu einem Kahlschlag in der Sozialpolitik? Nüchtern betrachtet kann man bei den Plänen Macrons nicht von einem Kahlschlag in der Sozialpolitik sprechen. Zudem kam die Regierung den Gewerkschaften in einigen Punkten entgegen. Trotzdem ist es eine bittere Pille, welche die Gewerkschaften schlucken müssen. So können Arbeitgeber künftig mehr Verträge auf der Ebene von einzelnen Unternehmen abschliessen, die auch schlechter sein können, als die Rahmenverträge in Branchen, die mit den Gewerkschaften ausgehandelt wurden. Weiter wird der Kündigungsschutz gelockert.

Charles Liebherr

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Seit 2014 ist Charles Liebherr Frankreich-Korrespondent von Radio SRF. Er studierte in Basel und Lausanne Geschichte, Deutsche Literatur- und Sprachwissenschaft sowie Politologie. Davor war er beim Schweizer Radio unter anderem als Wirtschaftsredaktor tätig.

Was hat sich für die Gewerkschaften verbessert? In dieser Revision garantiert die Regierung den Gewerkschaften exklusive Verhandlungsrechte auf Branchen-Ebene. Diese klare Abgrenzung gegenüber heute bewerten die Gewerkschaften durchaus als einen tragfähigen Kompromiss. Die Regierung kam ihnen auch bei wirtschaftlichen Kündigungen entgegen. Da werden die Entschädigungen erhöht.

Die grössten Versprechen an die Gewerkschaften betreffen aber die Reformen, welche die Regierung erst später anstossen will: Mehr Rechte für Arbeitnehmer bei der Arbeitslosenversicherung oder bei der Rentenreform und bei der Stärkung der Berufsbildung. Das Problem ist, dass das erst Versprechen sind. Diese Reformen werden erst im Herbst oder sogar erst im nächsten Jahr umgesetzt. Die Verhandlungen gehen also weiter und werden auf weitere Bereiche des Arbeitsmarktes ausgeweitet.

Sind Proteste zu erwarten? Die Gewerkschaft CGT (Confédération générale du travail) hat bereits zu einem ersten Protesttag Mitte September aufgerufen. Bemerkenswert ist die Haltung von Force Ouvrière (FO): Sie will nicht mit der CGT mitziehen. Bei dieser Revision sei glaubwürdig verhandelt worden im Dreieck Gewerkschaften-Arbeitgeber-Regierung, so die Begründung. Kompromisse seien erzielt worden.

Für Macron ist das ein Erfolg. Die Bemühungen echt und lange zu verhandeln haben offenbar eine mässigende Wirkung erzielt. Das heisst nicht, dass die Gewerkschaften die Revision in allen Punkten mittragen – aber es ist ein Hinweis darauf, dass der von manchen befürchtetet heisse Herbst mit Massen-Demonstrationen, wie wir sie unter der Präsidentschaft von François Hollande erleben mussten, diesmal vielleicht nicht stattfinden wird.

Was ändert sich für kleine Unternehmen? Tatsächlich wird das neue Arbeitsrecht den Realitäten in Kleinbetrieben mit bis zu 50 Mitarbeitenden besser gerecht als das bisherige, weil diese nun auf Unternehmensebene gewisse Arbeitsbedingungen aushandeln können. Diese Möglichkeit bestand bisher nicht. Bis dato musste alles in Branchenabkommen mit den Gewerkschaften ausgehandelt werden.

Ein Kleinbetrieb, der 90 Prozent seiner Produktion exportiert, funktioniert anders, als ein Kleinbetrieb, der den lokalen Markt bedient. Im französischen Arbeitsrecht waren Klein-Unternehmen bisher die grossen Vergessenen, obwohl ein Grossteil der Stellen in solchen Firmen angesiedelt ist. In diesem Punkt schliesst die Revision heute eine Lücke und damit wird eine uralte Forderung der Arbeitgeber endlich erfüllt.

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