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International «Assad ist strukturell geschwächt»

Die Ereignisse im Syrien-Konflikt haben sich in den letzten Tagen überschlagen: Was bedeutet das für das Regime von Machthaber Baschar al-Assad? Eine Verschnaufpause und doch erheblichen Druck. Syrien-Kenner Volker Perthes gibt Antworten.

Ein Mann trägt eine Kopfbinde mit dem Porträt Assads.
Legende: Im Land mag Assad noch Anhänger haben. Seine Verbündeten aber üben vermehrt Druck aus. Reuters

SRF: Nachdem Giftgasanschlag haben deutsche Medien unter Berufung auf Quellen beim deutschen Geheimdienst BND gemeldet: Assads Generäle hätten eigenmächtig ohne Einwilligung von Präsident Baschar al-Assad gehandelt. Hat Assad sein System im Griff oder das System ihn?

Volker Perthes: In den Meldungen hiess es, dass man es nicht so genau wisse. Es könnte sein, dass Generäle eigenmächtig gehandelt haben, weil Assad in früheren Fällen den Einsatz von Chemiewaffen nicht genehmigt habe. Das heisst nicht, dass er den Einsatz in diesem Fall vielleicht nicht doch genehmigt hat.

Und: Assad hat sein Regime im Griff. Möglicherweise sogar mehr als früher und sicherlich mehr als zu dem Zeitpunkt, als er die Herrschaft von seinem Vater geerbt hat. Die ersten Jahre von 2000 bis 2005 hat er sein Regime konsolidiert. Heute herrscht er über einen sehr viel kleineren Teil Syriens. Aber dort ist sein Zugriff strikter geworden.

Hat Assad die Zustimmung seines Apparats erhalten, weil er so kompromisslos und hart in diesem Bürgerkrieg agiert?

Nein, es hat in seinem Apparat und in der Baaht-Partei am Anfang des Aufstandes, also im März 2011, heftige Diskussionen über den richtigen Kurs gegeben. Es hat eine ganze Reihe von wichtigen Mitgliedern der Führung gegeben, die eher politisch mit dem Aufstand umgehen wollten. Assad hat sich durchgesetzt mit seiner Idee einer militärischen Lösung. Das hiess Sicherheitslösung in seiner Wortwahl. Sein Argument war: Wenn man sich militärisch durchgesetzt habe, könne man immer noch politisch verhandeln. Der Rest des Regimes hat es akzeptiert. Andere, die eine deutlich andere Meinung gehabt haben, sind isoliert und haben nichts mehr zu sagen.

Seine Zustimmung zu Chemiewaffenexperten und zur Zerstörung der Chemiewaffen ist ohne Kritik innerhalb des Regimes?

Das ist viel zu rezent, um das beantworten zu können. Ich bin nicht sicher, ob er persönlich zugestimmt hat; und wenn er zugestimmt hat, ob er es auch so meint. Wir wissen aus früheren Situationen, in denen er mit UNO-Missionen zusammenarbeiten musste, dass er mit diesen Missionen gespielt hat, um Zeit zu gewinnen. Er hat Tricks angewendet, damit diese Missionen ihre Aufgaben nicht erfüllen können, und Syrien musste daher bestimmte Verpflichtungen nicht umsetzen.

Offenbar hat Assad trotzdem auf die amerikanische Warnung reagiert. Im Westen hiess es immer, ein Militärschlag bringe gar nicht so viel und könne das Regime Assad gar nicht nachhaltig gefährden. Was gilt nun?

Assad hat gemerkt, dass Obama es ernst meint, obwohl dieser eigentlich keinen neuen Krieg führen will. Vermutlich haben auch die Russen Assad gesagt, dass Obama es ernst meint. Die russische Führung hat eine Chance gesehen, die diplomatische Initiative in die Hand zu nehmen. Sie hat möglicherweise dem syrischen Aussenminister erklärt: ‹Ihr geht hierauf ein und rüstet euer Chemiewaffen-Arsenal ab oder wir müssen euch die politische Unterstützung entziehen.› Diese Kombination aus der Sorge vor einem Militärschlag und der Drohung Russlands wirkt in Damaskus.

Wir haben nun über den wichtigsten Verbündeten Assads, Russland, gesprochen. Wie steht der Iran, der andere Verbündete, zu der Frage?

Auch Iran ist ein Verbündeter des herrschenden Regimes. Aber in Iran gibt es ganz heftige Diskussionen über die Art des Bündnisses und die Unterstützung für Syrien. Der ehemalige iranische Präsident Rafsanjani hat sinngemäss gesagt: Die armen Syrer werden erst von ihrer Regierung vergast und sollen nun noch von aussen angegriffen werden. Es gibt in Iran wichtige Stimmen und Verbündete des heutigen Präsidenten Rohani, die wissen, dass das syrische Regime für den Gasangriff verantwortlich war. Es gibt kaum ein Land, das eine heftigere politische Kampagne gegen Chemiewaffen fährt als Iran. Man hat eine grosse Lobby aus Chemiewaffenopfern aus dem Krieg gegen den Irak.

Haben die jüngsten Entwicklungen in den Verhandlungen, Drohungen und Gegendrohungen Assad gestärkt?

Zurzeit reibt Assad sich die Hände und glaubt, er hätte Zeit gewonnen. Aber: Die Iraner sind sich nicht sicher, ob sie ihn weiter unterstützen wollen. Die Russen üben Druck auf ihn aus. Das hat ihn strukturell geschwächt.

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