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Asyl-Gipfel der EU Über diese möglichen Lösungen wird diskutiert

Hält die EU zusammen? Die aktuelle Krise um die Aufnahme von Flüchtlingen dreht sich vor allem um drei Fragen.

1. Wie können die Aussengrenzen noch dichter gemacht werden?

Flüchtlingslager auf Chios.
Legende: Flüchtlingslager befinden sich momentan meist in Erstankunftsländern: Hier auf der Insel Chios in Griechenland. Reuters

Zentren in nordafrikanischen Ländern für gerettete Menschen: Das primäre Ziel der EU besteht darin, die Migrationsströme von Afrika nach Europa zu unterbinden. Um das zu erreichen, stehen «disembarkation platforms» in nordafrikanischen Ländern zur Diskussion. Auf dem Mittelmeer gerettete Menschen würden demnach nicht mehr nach Europa, sondern zurück nach Afrika gebracht werden.

Heikel ist die Frage, ob europäische Schiffe auf dem Meer gerettete Menschen zurück nach Afrika bringen dürfen. Der Europäische Gerichtshof hielt in einem wegweisenden Urteil 2012 fest, dass dies den völkerrechtlichen Verpflichtungen widerspricht. Der Gerichtshof argumentierte, ein geretteter Migrant habe das Recht, einen Asylantrag zu stellen und das Recht auch auf ein faires Verfahren. Und es sei die Pflicht des europäischen Staates (im damaligen Fall ging es um Italien), dieses Recht zu garantieren. Und da Italien dies nicht auf dem Schiff erledigen könne, müsse es die Menschen aufs eigene Festland bringen.

Text der die Postergrafik beschreibt

Die Experten des Deutschen Instituts für Menschenrechte folgern daraus, dass es für europäische Schiffe auch heute verboten wäre, Menschen zurück in solche Zentren zu schaffen. Auch die EU-Kommission ist diesbezüglich zurückhaltend. Völlig unklar ist auch, ob überhaupt Länder Nordafrikas solche Zentren auf ihrem Territorium akzeptieren würden.

Gleichwohl sollen die Staats- und Regierungschefs am heutigen Gipfel grünes Licht geben, um hier vorwärts zu machen. In der Vorstellung der Europäer sollen dann wohl die Küstenwachen der nordafrikanischen Länder übernehmen, was die Europäer nicht dürfen.

Zentren ausserhalb der EU – zum Beispiel in Albanien: Einen anderen Vorschlag präsentierte der österreichische Kanzler Sebastian Kurz: Er schlug vor, dass Migranten/Flüchtlinge, die bis nach Europa kommen, in Flüchtlingszentren ausserhalb der EU zum Beispiel in Albanien untergebracht werden. Gemäss EU-Kommission und gemäss Deutschem Institut für Menschenrechte ist das aber mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht vereinbar. Dieser Vorschlag wird deshalb von der EU-Kommission nicht weiter verfolgt.

2. Wie können die ankommenden Menschen, die Asyl beantragen, gerechter auf die Mitgliedstaaten verteilt werden?

Ankunft von Eritreern und Äthiopiern in Rom.
Legende: Ankunft von Eritreern und Somaliern in Rom im Juni 2018. Keystone

Neue Zentren in der EU für Menschen, die es bis nach Europa schaffen: Der französische Präsident Emmanuel Macron und der spanische Regierungspräsident Pedro Sanchez brachten die Idee von geschlossenen Zentren auf europäischem Boden ins Spiel. Die Menschen, die es gleichwohl bis nach Europa schaffen, würden auf solche Zentren verteilt. Hier würde beurteilt, ob jemand ein Recht auf Asyl hat oder nicht. Im positiven Fall würde er auf die anderen Mitgliedstaaten umverteilt, im negativen würde er zurück in seine Heimat gebracht.

Das Problem hier ist ein doppeltes: Erstens zeigt sich bis jetzt kein EU-Mitgliedstaat bereit, solche Zentren auf dem eigenen Gebiet einzurichten und zweitens sieht das europäische Recht zwar vor, dass Migranten in begründeten Einzelfällen in Haft genommen werden dürfen, sie dürfen aber nicht pauschal für die Zeit der Abklärungen in geschlossenen Zentren untergebracht werden.

Dennoch verfolgt die EU-Kommission auch diesen Vorschlag weiter. Bemerkenswert hier ist zudem, dass solche Zentren und die später erfolgende Umverteilung nicht mehr im Rahmen der EU-28 betrieben würden, sondern nur von den wenigen «Willigen». Es wäre eine Abkehr vom gesamteuropäischen Ansatz.

Der 10-Punkte-Plan Italiens

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In eine ähnliche Richtung wie der Vorschlag von Macron und Sanchez geht der 10-Punkte-Plan des italienischen Premierministers Giuseppe Conte. Darin fordert er die völlige Abkehr vom Dublin-System.

Die italienische Regierung argumentiert, nur weil Italien verpflichtet sei, die Menschen im Mittelmeer zu retten, dürfe dies nicht dazu führen, dass Italien auch verpflichtet sei alleine um diese Menschen zu kümmern, wie das die Dublin-Regeln eigentlich vorsehen.

Er schlägt deshalb ein stärkeres Engagement in Afrika selber vor und zweitens, dass die geretteten Menschen nicht nach Italien, sondern in europäische Zentren in den Mitgliedstaaten gebracht werden. Dort soll dann im Rahmen einer gesamteuropäischen Verantwortung entschieden werden, ob jemand Recht auf Schutz hat oder nicht.

3. Wie verhindern, dass Menschen, die sich in einem Land registriert haben, in ein anderes Land ziehen, um dort Asyl zu beantragen?

Flüchtlinge in Spanien.
Legende: Flüchtlinge in Spanien. Keystone

Aktuelle Reform des Asylsystems in der EU: Neben dem Schutz der Aussengrenzen dreht sich die aktuelle Debatte vor allem um die Sekundärmigration. Das sind Migranten/Flüchtlinge, die zum Beispiel in Italien an Land kommen, sich dort registrieren lassen und dann trotzdem in ein anderes Land weiter ziehen, um dort Asyl zu beantragen.

Flüchtlingskarte

Die EU ist aktuell an einer gross angelegten Reform des Asylsystems, welche auch diese Sekundärmigration einschränken würde. Die Asylreform beinhaltet sieben Reformen. Fünf sind eigentlich fertig beraten, zwei sind blockiert.

  • Fertig beraten ist die Reform der Aufnahmerichtlinie: Neu sollen Mitgliedstaaten Migranten/Flüchtlingen, die sich registriert und einen Asylantrag gestellt haben, einen Wohnort zuweisen können. Ferner sollen diese Menschen dazu verpflichtet werden können, sich regelmässig bei den Behörden zu melden. Wer gegen diese Verpflichtungen verstösst, soll in Gewahrsam genommen werden können. Zudem sollen die Menschen spätestens sechs Monate nach Einreichen des Asylantrages Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten.
  • Keine Einigung ist bis anhin bei der Reform des Dublin-Systems erzielt worden. Grossen Widerstand gibt es insbesondere gegen die Idee, Flüchtlinge nach ihrer Ankunft auf die Mitgliedstaaten umzuverteilen. Vor allem die Visegrad-Staaten wollen davon nichts wissen. Sie setzen stattdessen auf den rigorosen Schutz der Aussengrenzen. Der Gipfel diese Woche soll der gesamten Asylreform neuen Schub verleihen.

Was ist mit dem französisch-italienischen Abkommen?

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In der aktuellen Debatte wird oft auf das französisch-italienische Abkommen von 1997 (Abkommen von Chambéry) verwiesen. Dieses erlaubt es Frankreich, registrierte Migranten/Flüchtlinge ebenfalls nach Italien zurück zu weisen.

Das Abkommen regelt die gegenseitige Rückübernahme ohne gültige Papiere. Allerdings hält das Abkommen explizit fest, dass die Verpflichtung, Menschen zurückzunehmen, für diejenigen nicht gilt, die im Rahmen der Dublin-Regeln das Recht haben, im anderen Land einen Asylantrag zu stellen.

Migranten/Flüchtlinge, die sich in Italien registriert haben und in Frankreich einen Asylantrag stellen wollen, sind also ausgenommen und dürfen nicht zurückgeschickt werden. Es gibt zwar trotzdem Berichte, wonach Frankreich genau solche Migranten/Flüchtlinge an der Grenze zurückweist, aber die betroffenen Menschen haben die Möglichkeit, sich rechtlich dagegen zu wehren.

Französische Gerichte haben die französische Abschiebepraxis denn auch verschiedentlich verurteilt.

Zur aktuellen Debatte über mögliche Grenzschliessungen in Deutschland:

Afgahnen, deren Asylantrag in Deutschland abgewiesen wurde.
Legende: Zurück in Kabul: Afgahnen, deren Asylantrag in Deutschland abgewiesen wurde. Reuters

Darf das Land registrierte Migranten / Flüchtlinge an der Grenze zurückweisen?

Die Position Seehofers: Der deutsche Innenminister Horst Seehofer will Migranten/Flüchtlinge, die in einem anderen Land europäischen Boden betreten haben, sich dort registriert haben, dann aber doch weiter bis nach Deutschland ziehen, an der deutschen Grenze zurückweisen.

Darf er das? Wenn die Menschen in Deutschland einen Asylantrag stellen, darf er das nicht. Normalerweise ist jenes europäische Land für die Menschen zuständig, welches der Flüchtling/Migrant als erstes betreten und sich registriert hat. Aber nicht immer.

Deshalb muss Deutschland im Rahmen des Dublin-Verfahrens abklären, ob nicht doch Deutschland für das Verfahren zuständig ist. Gründe können etwa sein, wenn es sich um einen unbegleiteten Minderjährigen handelt, oder wenn ein Antragsteller bereits Familienangehörige in Deutschland hat.

Die Position Merkels: Die deutsche Kanzlerin Angel Merkel wehrt sich gegen Zurückweisungen an der deutschen Grenze. Sie hat sich deshalb Zeit für eine Lösung in Zusammenarbeit mit anderen EU-Mitgliedstaaten ausbedungen. Merkel selber sagt, dass eine gesamteuropäische Lösung am EU-Gipfel nicht realistisch sei, sie setzt deshalb auf bilaterale Abkommen mit anderen Mitgliedstaaten.

Was ist hier möglich ? Gemäss der Dublin-Verordnung können Mitgliedstaaten untereinander bilaterale Vereinbarungen abschliessen. In der Verordnung steht dazu: «Die Mitgliedstaaten können untereinander bilaterale Verwaltungsvereinbarungen bezüglich der praktischen Modalitäten der Durchführung dieser Verordnung treffen, um deren Anwendung zu erleichtern und die Effizienz zu erhöhen.» Solch bilaterale Vereinbarungen dürfen sich also nur auf «die praktischen Modalitäten der Durchführung» beziehen.

Das heisst, dass die Vereinbarungen den Rahmen der Dublin-Verordnung nicht sprengen dürfen. Daraus folgert das Deutsche Institut für Menschenrechte: «Eine Vereinbarung, der zufolge Deutschland Menschen, die Asyl suchen, einfach an der Grenze zurückweisen könnte, wäre daher nicht zulässig.» Es ist also offen, was Merkel mit solch bilateralen oder trilateralen Abkommen erreichen würde. Auch deutsche Diplomaten sehen in diesen Abkommen keine Wunderwaffe gegen die Sekundär-Migration.

Zahlen und Fakten zu Flüchtlingen

Wie viele Flüchtlinge leben in der EU?
In den 28 Mitgliedstaaten der EU haben nach Angaben des UNO-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) Ende 2017 knapp 2,3 Millionen Flüchtlinge gelebt. Das entspricht etwa 0,45 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung von mehr als 511 Millionen Menschen.
Wieviele Flüchtlinge erreichen aktuell Europa?
Zuletzt sind die Zahlen zurückgegangen. Zwischen Januar und Juni 2018 nahmen knapp 50'430 Flüchtlinge den Weg nach Europa auf sich.
Welche Länder erreichen Geflüchtete am häufigsten?

Wegen ihrer geografischen Lage im Süden Europas sind Italien, Griechenland und Spanien die klassischen Ankunftsstaaten. Bis Ende Juni landeten dieses Jahr zwei von fünf Migranten in Italien, der Rest der Bootsflüchtlinge teilte sich gleichmässig auf Griechenland und Spanien auf.
Welches EU-Land nimmt die meisten Flüchtlinge auf?

Ende 2017 lebten in Deutschland nach UNHCR-Angaben 970'400 Schutzsuchende. Setzt man die Zahl allerdings ins Verhältnis zur Bevölkerung liegt Deutschland mit 117 Flüchtlingen pro 10'000 Einwohnern hinter Schweden (241), Malta (174) und Österreich (131). Im Vergleich zur Wirtschaftskraft nimmt Malta EU-weit die meisten Flüchtlinge auf.
Wie viele beantragen Asyl, obwohl sie
das schon in einem anderen EU-Staat getan haben?

In der EU dürfen Flüchtlinge nur in einem Mitgliedstaat einen Antrag auf Asyl stellen. Häufig ist das Land zuständig, in dem der Migrant erstmals EU-Territorium betritt. Ein Schutzsuchender kann nach der sogenannten Dublin-Verordnung dorthin abgeschoben werden. 2018 ging es bis Ende Mai monatlich im Schnitt um 5200 Fälle. Andererseits ersuchten EU-Staaten in durchschnittlich 1750 Fällen pro Monat, dass Deutschland seine Asylbewerber zurücknimmt. 2017 wurden im Rahmen der Dublin-Verordnung etwa 7100 Menschen abgeschoben - fast jeder dritte davon nach Italien.

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