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Attentat auf Botschafter «Russland verschweigt Zusammenhang mit Syrien»

Die Ermordung des Botschafters ist ein Test für Russland und die Türkei, sagt David Nauer, SRF-Korrespondent in Moskau.

SRF News: Der russische Botschafter in der Türkei besucht eine Fotoausstellung in Ankara. Kurz darauf ist er tot, erschossen von einem türkischen Polizisten. Wie reagiert man im Kreml auf das Attentat?

David Nauer: Die Tat wird hier in Moskau als Terroranschlag gewertet. Präsident Putin hat erklärt, Moskau müsse den Kampf gegen den Terror weiter verstärken. Gleichzeitig wird von vielen Politikern betont, die Ermordung des Botschafters dürfe die Beziehungen zwischen Russland und der Türkei jetzt nicht erneut eintrüben. Das sei genau das Ziel des Täters und seiner Hintermänner gewesen. Deshalb müsse man jetzt alles tun, damit dieses Ziel nicht erreicht werde.

Die Russen spielen die Rolle einer Friedenstruppe.

Das Attentat scheint in Verbindung mit der russischen Kriegsführung in Syrien zu stehen. Auf Videos ist zu hören, wie der Attentäter ruft: «Vergesst nicht Aleppo» und «Vergesst nicht Syrien». Wird das in Moskau thematisiert?

David Nauer

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David Nauer ist Korrespondent von Radio SRF in Russland. Von 2006 bis 2009 hatte Nauer für den «Tages-Anzeiger» aus Moskau berichtet, anschliessend aus Berlin.

Nein, nicht direkt, am russischen Staatsfernsehen wurde nur erklärt, der Täter habe Allahuakbar (Gott ist gross) gerufen. Der Zusammenhang mit Syrien, mit Aleppo wurde einfach verschwiegen. Das hat vor allem damit zu tun, wie der Krieg in Syrien in den russischen Medien dargestellt wird. Die Darstellung ist ziemlich vereinfacht und auch ziemlich verzerrt. Die Staatsmedien haben begeistert von der sogenannten Befreiung Aleppos berichtet. Es wurden Soldaten gezeigt, die humanitäre Hilfe verteilen. So zynisch es ist, die Russen spielen in dieser Darstellung die Rolle einer Friedenstruppe. Von mutmasslichen russischen Kriegsverbrechen ist da nicht dir Rede. Deswegen wird auch dieser Anschlag auf den Botschafter nicht mit Aleppo verknüpft und als allgemeiner Terroranschlag dargestellt.

Es gibt also einen Zusammenhang, wenn russische Politiker jetzt den Westen als Drahtzieher des Attentats verurteilen?

Es hat tatsächlich solche Äusserungen von Politikern gegeben, die den Westen für die Tat mitverantwortlich machen. Man muss wissen: Meist wird das nicht direkt so formuliert, sondern indirekt. Ein einflussreicher Parlamentarier hat zum Beispiel gesagt, hinter diesem Anschlag würden jene Kräfte stehen, die Russlands Rolle im Kampf gegen den Terrorismus marginalisieren wollten. Das ist eine Chiffre für den Westen. Dieser wird in Russland schon seit einiger Zeit als Feindbild kultiviert. Russland sieht sich als Opfer. Dem Westen wird jede Schandtat zugetraut. Das hat etwas Paranoides und auch Selbstgerechtes. Aber so ist die allgemeine Stimmung.

Dem Westen wird jede Schandtat zugetraut.

Es soll bald ein Treffen der Aussenminister der Türkei, Russlands und des Irans in Moskau geben. Dabei soll über das weitere Vorgehen in Syrien beraten werden. Wieso treffen sich nur diese drei Länder?

Weil es die drei Länder sind, die in Syrien effektiv militärisch ganz grossen Einfluss haben. Auf der einen Seite die Türkei, auf der anderen Russland und der Iran. Das sind die Länder, die tatsächlich etwas am Boden bewirken können. Es kommt aber auch dazu, dass es nicht westliche Länder sind, es sind Länder mit autoritären Regimes. Ich denke, dass sich dahinter ein langfristiges, aussenpolitisches Ziel des Kremls verbirgt. Er will den Einfluss des Westens weltweit zurückdrängen. Er will, dass Russland ein Faktor wird, der weltpolitische Probleme mit seinen Verbündeten und auf seine Art lösen kann, ohne Westen und ohne UNO. Dahingehend soll Syrien wohl so eine Art Testfall werden.

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Das Verhältnis zwischen Russland und der Türkei scheint kein einfaches. Aber das Attentat scheint die beiden Länder näher aneinander zu bringen?

Es ist tatsächlich auffällig, wie sehr sich die offiziellen Stellen sowohl in Ankara wie auch in Moskau bemühen, dieses Attentat nun nicht zu einem neuen Grund für eine Krise zu machen. Man bemüht sich sehr, zusammenzuarbeiten. Ob das tatsächlich langfristig zu einer stärkeren Annäherung führt, muss man abwarten. Die Türkei hatte ja ursprünglich in Syrien ganz andere Ziele als Russland.

Die Türkei hat in Syrien andere Ziele als Russland.

Der Krieg dort ist auch nicht, wie von den Russen dargestellt, ein Kampf gegen den Terrorismus. Es ist viel komplexer. Es geht auch um einen religiösen Kampf der Sunniten gegen die Schiiten. Russland steht dabei im weitesten Sinn auf der Seite der Schiiten. In der türkischen Gesellschaft hingegen gibt es grosse Sympathien für die Sunniten. Es gibt auch Widerstand gegen Russlands Vorgehen in Aleppo. Es hat in der Türkei zuletzt mehrere Demonstrationen gegen Russland gegeben. Das Attentat auf den russischen Botschafter steht auch in diesem Zusammenhang. Auf die russisch-türkischen Beziehungen kommen also noch gröbere Spannungen zu.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

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