Fünf Meter hoch durchschneiden sie den Lebensraum von Grillen, Ziegen und Menschen: Zwei Reihen Stacheldraht in der Halbwüste bei Mandera, zwischen Kenia und Somalia.
Wer jetzt mit bösen Absichten aus Somalia nach Mandera kommt, ist mit einem grossen Hindernis konfrontiert.
Für Frederik Schisia, den Lokaladministrator der kenianischen Regierung, ist der Zaun ein wahres Wunder. «Die Sicherheit in Mandera ist bereits jetzt signifikant gestiegen. Denn wer jetzt mit bösen Absichten aus Somalia nach Mandera kommt, ist mit einem grossen Hindernis konfrontiert.»
Anschläge trotz Zaun
Dem Regierungsvertreter Glauben zu schenken, fällt schwer. Das kleine kenianische Städtchen an der somalischen Grenze wird regelmässig von Anschlägen der islamistischen Terrormiliz Al Shabaab erschüttert. Der Angriff auf die lokale Bank ereignete sich nach dem Zaunbau, ebenso der Überfall auf das Hotel von Abdulani Mali.
Scherben, zersplittertes Holz, kaputte Stühle und Tische: Vom einstigen Stolz des Familienvaters sind nur noch Trümmer übrig. «Das Hotel war in den vergangenen sieben Jahren die Existenzgrundlage unserer Familie. Mit dem, was wir verdienten, bezahlten wir das Schulgeld unserer Kinder.»
Wenn man morgens aufsteht, weiss man nie, was der Tag bringt: Dürre, Regen oder Bomben.
In einem Hinterhof, nicht weit von der Hotelruine entfernt, wäscht Habiba ihrem bettlägerigen Vater die Füsse. Sie fordert, dass die Regierung endlich etwas tut. «Wenn man morgens aufsteht, weiss man nie, was der Tag bringt: Dürre, Regen oder Bomben».
Die Attacken der Islamisten brachten viel Leid. Nicht nur in Mandera, sondern in ganz Kenia. Schätzungsweise 450 Menschen sind in den vergangenen fünf Jahren bei Terroranschlägen ums Leben gekommen. Nachdem Al Shabaab 2015 an der Universität in Garissa 148 Studenten erschossen hatte, verkündete Präsident Uhuru Kenyatta, die Grenze zu Somalia zu schliessen.
Wir müssen nicht Zäune bauen, sondern unsere Grenzen besser bewachen.
Der Zaun werde Al Shabaab nicht zurückhalten, meint der kenianische Sicherheitsanalyst Tawi Gitongo. «Wir müssen nicht Zäune bauen, sondern unsere Grenzen besser bewachen.» Zudem müsse die Korruption bekämpft werden. Beamte in Nairobi verkauften Identitätskarten und Pässe und machten dank dem Chaos in Somalia mit Schmuggel auf Kosten der Allgemeinheit viel Geld. «Solange wir solche Zustände haben, macht ein Zaun keinen Sinn.»
Armut und Perspektivlosigkeit radikalisiert
Ähnlich sieht das Nicholas Kamuru Wyabil, Oberlehrer der Schule von Mandera. Es brauche keine Zäune, sondern eine Perspektive für junge Menschen. Viele lebten in grösster Armut, ohne Beruf, ohne Zukunft. Auch deshalb hätten sich viele der Al-Shabaab-Miliz angeschlossen. «Es sind Kinder von Eltern aus Mandera und Kinder von Eltern aus Somalia. Deshalb müssen wir zusammensitzen und reden. Die Milizionäre sollen uns erklären, was genau ihr Problem ist.»
Der 58-Jährige beschuldigt die Regierungen in Äthiopien, Kenia und Somalia, diesen Teil der Erde zu lange vernachlässigt zu haben. «Wenn diese Diskriminierung aufhören und die Armut beseitigt würde, hätten wir viel für den Frieden in unserer Gemeinschaft getan.»
Der Stacheldraht schlängelt sich erst entlang eines kleinen Teils der Grenze zu Somalia. Weil das Geld auf dem Weg durch die verschiedenen Amtsstuben versickerte, kam es zu einen Baustopp. Der Zaun endet heute 30 Kilometer ausserhalb Manderas in der Halbwüste.