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Aufhebung der UNO-Sanktionen «Die Diktatur in Eritrea spielt wie zuvor»

Der UNO-Sicherheitsrat hat beschlossen, die Sanktionen gegen Eritrea aufzuheben. Es geht dabei um die Aufhebung des Waffenembargos, die Beendigung von Reisebeschränkungen und um das Freigeben von eingefrorenen Vermögen. Im Gespräch erklärt SRF-Afrika-Korrespondentin Anna Lemmenmeier, was diese Massnahme für das Land bedeutet und welche Wirkung die Sanktionen für das Land hatten.

Anna Lemmenmeier

Auslandredaktorin

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Anna Lemmenmeier ist Auslandredaktorin zuständig für Mittelamerika, Mexiko und die Karibik. Von 2017-2024 war sie Afrika-Korrespondentin von Radio SRF und lebte in Nairobi. Davor war sie Mitglied der Wirtschaftsredaktion. Sie hat internationale Beziehungen, Geschichte und Völkerrecht an den Universitäten von Bern, Genf und Ghana studiert.

SRF News: Was hat die UNO dazu bewogen, die Sanktionen gegen Eritrea aufzuheben?

Anna Lemmenmeier: Die Situation am Horn von Afrika hat sich in den letzten Monaten drastisch verändert. Seit dem Frieden zwischen Eritrea und Äthiopien gibt es niemanden mehr, der aktiv für die Sanktionen gegen Eritrea lobbyiert – im Gegenteil: Äthiopien hat sich stark für deren Aufhebung eingesetzt.

Die Aufhebung könnte manche Eritreer dazu bewegen, die nationale Wehrpflicht zu hinterfragen.

Zudem waren die Sanktionen auch inhaltlicher Art nicht mehr wirklich tragbar. Sie wurden verhängt weil Eritrea vorgeworfen wurde, den bewaffneten Kampf der al-Shabaab in Somalia zu unterstützen. Das mag vor einem guten Jahrzehnt auch der Fall gewesen sein, doch bereits 2012 fand selbst die UNO keine Hinweise mehr auf eine solche Einmischung.

Stuft die UNO die Situation in Eritrea somit als normal ein?

Der Fakt, dass der Sicherheitsrat einstimmig für die Aufhebung der Sanktionen gestimmt hat, deutet darauf hin. Doch die Sanktionen wurden nicht verhängt wegen der Situation in Eritrea, sondern aufgrund Eritreas Einmischung in Somalia und dem Grenzkonflikt mit Dschibuti. Mit der Aufhebung der Sanktionen möchte die UNO nun aber den Friedensschluss zwischen Eritrea und Äthiopien würdigen und das Land mehr in die internationale Gemeinschaft einbinden. Dies in der Hoffnung, dass sich das Regime tatsächlich öffnet.

Eritrea stand auch aufgrund der Menschenrechtslage im eigenen Land in der Kritik – insbesondere wegen der unbefristeten nationalen Wehrpflicht. Hat sich das repressive Regime in diesem Bereich bewegt?

Nein. In Eritrea scheint sich diesbezüglich nichts verändert zu haben – zumindest nichts, was man als einen bewussten Wandel vonseiten des Regimes interpretieren könnte. Bisher wurden keine politischen Gefangenen freigelassen. Die Diktatur spielt wie zuvor.

Die Sanktionen waren sogar wichtig für das Regime, denn sie waren wichtiger Bestandteil der eigenen Rhetorik.

Was sich geändert hat: Die Grenzen zu Äthiopien sind geöffnet. Deshalb haben Tausende Eritreer in den letzten Monaten das Land verlassen. Somit kann die Bevölkerung zum ersten Mal seit Jahren das Land legal verlassen. Auf der anderen Seite gelangen Güter von Äthiopien nach Eritrea. Das hat dazu geführt, dass das Leben in Eritrea günstiger geworden ist. Ausserdem ist es schwierig abzuschätzen, ob die offenen Grenzen doch noch zu politischen Veränderungen im Land führen werden.

Wie stark haben die Sanktionen Eritrea überhaupt getroffen?

Kaum. Es handelte sich um ein Waffenembargo, Reisebeschränkungen sowie einige eingefrorene Konten. Das hat die eritreische Wirtschaft nicht abgewürgt. Die Sanktionen waren sogar wichtig für das Regime, denn sie waren wichtiger Bestandteil der Rhetorik. Ganz nach dem Motto: «Schaut her, die ganze Welt ist gegen uns – und dahinter steckt unser Erzfeind Äthiopien. Wir müssen uns mit allen Mitteln verteidigen und deshalb müssen alle Eritreer für unbestimmte Zeit ins Militär.» Nun könnte die Aufhebung der Sanktionen Eritreer dazu bewegen, die nationale Wehrpflicht zu hinterfragen.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

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