SRF News: Die deutsche Bundesregierung wird den geplanten Auftritt des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vor Anhängern verbieten. Warum will Erdogan ausgerechnet jetzt in Deutschland reden?
Adrian Arnold: Erdogan wollte einfach seine Anwesenheit beim G20-Gipfel in Hamburg nutzen, um zu seinen Anhängern auf deutschem Boden zu sprechen.
Der Streit wurde ja gar nicht beigelegt.
Was bedeutet das Auftrittsverbot für die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei?
Nach dem Beschluss des deutschen Parlaments, Bundeswehr-Truppen von der Luftwaffenbasis Incirlik abzuziehen, ist das ein weiterer Tiefpunkt für die bereits schon stark angeschlagene Beziehung. Ein konstruktiver Austausch auf Regierungsebene ist derzeit nicht möglich. Erdogan könnte dies für eine weitere Eskalation nutzen. Aber wirtschaftlich steht für die Türkei sehr viel auf dem Spiel.
Vor dem Verfassungsreferendum in der Türkei im April gab es ja bereits heftigen Streit über untersagte Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland. Erleben wir nun die Fortsetzung?
Der Streit wurde ja gar nicht beigelegt. Nach Erdogans Nazivergleich wird diese erneute Forderung in Deutschland öffentlich zu reden geben und landesweit als eine riesige Provokation betrachtet. Das Auftrittsverbot ist gleichzeitig eine klare Ansage aus Berlin an Erdogan: Jetzt wird Klartext gesprochen.
Gab es bereits Reaktionen in der deutsch-türkischen Gemeinschaft?
Es gibt sehr viele Deutsch-Türken, die auf der Seite Erdogans stehen. Auf der anderen Seite hat der Dachverband der deutsch-türkischen Gemeinde das Vorgehen Erdogans kritisiert. Erdogan habe das Verhältnis zu Deutschland durch seine Nazi-Vergleiche stark belastet. Das zeigt, dass unter den Deutsch-Türken die Meinungen über Erdogan weit auseinander gehen.
Das Gespräch führte Richard Müller.