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Ausblick auf Weltkonjunktur IWF-Chefökonom: Das Schlimmste kommt erst

Für viele werde sich 2023 wie eine Rezession anfühlen, prognostiziert der Internationale Währungsfonds und korrigiert die Prognose erneut nach unten.

Die Lage könne schlimmer werden, bevor sie sich bessere. Davor hatte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa in allgemeinen Worten bereits gewarnt – in einer Rede zum Auftakt des Jahrestreffens von IWF und Weltbank in Washington.

Nun untermauert der IWF seine pessimistische Einschätzung mit Zahlen: Die Weltkonjunktur werde sich weiter abschwächen auf magere 2.7 Prozent Wachstum 2023. Das wäre eine deutliche Abkühlung im Vergleich zum laufenden Jahr – mit geschätzt 3.2 Prozent globalem Wachstum.

Gourinchas.
Legende: IWF-Chefökonom Pierre-Olivier Gourinchas stellte am Dienstag in Washington die neuesten Konjunkturprognosen vor. AP/Patrick Semansky

Doch das Schlimmste komme noch, sagte am Dienstag IWF-Chefökonom Pierre-Olivier Gourinchas: «Für viele Menschen wird sich 2023 wie eine Rezession anfühlen.» Etwa ein Drittel der Welt müsse sich darauf gefasst machen, dass die Wirtschaft für mehrere Monate schrumpfe. Auch Europa sei betroffen.

Das Schlimmste kommt erst. Für viele Menschen wird sich 2023 wie eine Rezession anfühlen.
Autor: Pierre-Olivier Gourinchas IWF-Chefökonom

Das Hauptproblem ist die hohe Inflation. Energie, Nahrungsmittel und viele andere Dinge des täglichen Bedarfs verteuern sich laufend. Und es ist unwahrscheinlich, dass die Preise für Öl, Gas und Strom nachhaltig sinken, solange Russlands Angriffskrieg in der Ukraine andauert.

Unangenehm überrascht und herausgefordert dadurch, dass die Teuerung sich so hartnäckig hält, sind die Notenbanken. Sie stemmen sich nun – vor allem in den USA und in Europa – gegen diesen Preisschub. Sie versuchen, die Inflation zu dämpfen, indem sie mit höheren Zinsen Kredite für Investitionen und den Konsum immer weiter verteuern.

Kampf gegen Inflation im Vordergrund

Das hat aber eine Kehrseite, was auch der IWF einräumt: Die Zinserhöhungen der Notenbanken bremsen nämlich nicht nur den Preisauftrieb. Sie bremsen gleichzeitig auch das Wachstum. Trotzdem betont der IWF-Chefökonom: Die Notenbanken müssten ihren Kurs halten, um ihre Glaubwürdigkeit zu wahren. Der Kampf gegen die Inflation habe Priorität. Selbst wenn dadurch das Risiko steige, zu übersteuern, also die Konjunktur ganz abzuwürgen.

Die Notenbanken müssen ihren Kurs halten, um die Inflation zu dämpfen.
Autor: Pierre-Olivier Gourinchas IWF-Chefökonom

Mit dieser Empfehlung setzt sich der IWF der Kritik aus, die Inflationsbekämpfung wichtiger zu nehmen als das Wohlergehen der Menschen. Denn die Volkswirtschaften leiden praktisch rund um den Globus unter einem derart kompromisslosen Kurs, wie ihn etwa die US-Notenbank fährt.

IWF sieht keine Alternative

Aber noch schlimmer werde es, rechtfertigte sich heute der IWF-Chefökonom, wenn die Inflation ausser Kontrolle gerate und sich die Preisspirale nach oben beschleunige.

Tatsächlich würden dann alle Volkswirtschaften noch stärker geschwächt. Die Menschen könnten sich mit ihrem Geld immer weniger leisten. Ein solch anhaltender Kaufkraftverlust hätte besonderes in den ärmeren Ländern verheerende Konsequenzen. Und der IWF müsste schon bald erneut seinen Wirtschaftsausblick nach unten korrigieren. 

Echo der Zeit, 11.10.2022, 18:00 Uhr

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