Das Wichtigste in Kürze
- Das Jahr 2016 verlief für Russland sehr erfolgreich. Aus der Sicht vieler Russen hat Präsident Wladimir Putin das Land wieder gross gemacht.
- Militärisch beweist Russland seine Präsenz in Syrien. Jüngstes Beispiel ist Aleppo. Die syrische Regierung konnte die Stadt nach rund einem Jahr Belagerung mit Hilfe der russischen Armee den Gegnern von Präsident Assad entreissen.
- Weltpolitisch scheint sich der Wind für Russland gedreht zu haben: Die Wahl von Donald Trump in den USA und die Abstimmung zum Brexit hat man in Russland erfreut zu Kenntnis genommen.
SRF News: würden Sie das vergangene Jahr als Erfolg bezeichnen, was die Aussenpolitik von Wladimir Putin betrifft?
David Nauer: Zweifellos. Die Zeitschrift «Forbes» hat Putin kürzlich zum mächtigsten Mann der Welt gekürt. Moskau hat in diesem Jahr mehrfach den Takt in der Weltpolitik vorgegeben. Im US-Wahlkampf spielte Russland eine Rolle und in Syrien ist Russland wohl die entscheidende Kriegspartei.
Was sind Putins Interessen in Syrien?
Zusammengefasst geht es in Syrien weniger um Syrien, als vielmehr um die geopolitische Machtposition Russlands. Darum dieses grosse Engagement des Kremls. In den letzten Jahren sind in der arabischen Welt, aber auch in Osteuropa, immer wieder autoritäre Herrscher gestürzt worden.
Russland sah hinter diesen Revolutionen immer wieder die lange Hand Washingtons, also den Versuch des Westens, unliebsame Regierungen zu stürzen, um befreundete Politiker an die Macht zu bringen.
Selbst der Krieg in Syrien wird so gedeutet. Es wird behauptet, die Amerikaner hätten die syrische Opposition aufgestachelt, um Assad zu stürzen und einen prowestlichen Präsidenten in Syrien an die Macht zu bringen. Nur deswegen sei es zum Krieg gekommen, und dem müsse man einen Riegel schieben.
Militärisch und wirtschaftlich ist Russland nicht so stark, im Vergleich zu dem, was Putin aussenpolitisch bewirkt. Was ist sein Erfolgsgeheimnis?
Tatsächlich ist Russland wirtschaftlich nur eine Mittelmacht. Sein Bruttoinlandprodukt ist kleiner als das von Australien. Auch militärisch kann Russland nie mit den westlichen Armeen mithalten. Aber der Kreml kompensiert seine Schwäche sehr geschickt und auch mit einer hohen Risikobereitschaft.
Kein einziges Land ist bereit gewesen, Soldaten nach Syrien zu schicken. Nur Russland hat es getan. Putin hat im Vergleich zu westlichen Staatschefs einen riesigen Vorteil, weil er keine Rücksicht auf die öffentliche Meinung zu Hause nehmen muss. Es gibt so gut wie keine Opposition in Russland. Putin hat eine riesige Handlungsfreiheit in der Aussenpolitik und das macht ihn stark.
Der Wirtschaft in Russland geht es ziemlich schlecht, unter anderem wegen der Sanktionen der EU. Trotzdem ist Putin im Land selbst sehr beliebt. Wie schafft er das?
Das hat sicher mit der Propaganda zu tun. Am russischen Staatsfernsehen werden die aussenpolitischen Erfolge massiv übertrieben und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten untertrieben. Die Propaganda fällt bei den Russen auf fruchtbaren Boden, denn in Russland gibt es eine ganz andere politische Kultur als bei uns.
Vereinfacht gesagt sind viele Russen bereit, den Gürtel enger zu schnallen, wenn es dem Land dient.
Dieser Gedanke, dass man Teil eines Imperiums ist und dass dieses Imperium eben Opfer fordert, ist weit verbreitet. Putin ist für viele in Russland derjenige, der Russland wieder gross gemacht hat.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.