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Autonomiebewegungen in Europa «Oft spielt der Wohlstand eine Rolle»

Lombarden, Flamen oder Katalanen: Sie alle wollen mehr Autonomie. Doch es muss nicht gleich zur Abspaltung kommen. Politologe Micha Germann erklärt wie.

SRF News: Wie entstehen Separatisten-Bewegungen?

Micha Germann: Die wissenschaftliche Forschung hat eine Reihe wichtiger Faktoren identifiziert. Einer davon ist Erdöl. Schottland etwa hat ziemlich grosse Vorkommen in der Nordsee. Ein zweiter wichtiger Faktor ist, wenn Regionen Autonomierechte verlieren, so wie Kosovo 1989. Der Verlust der Autonomierechte spielte eine grosse Rolle im Kosovo-Krieg in den späten 1990er-Jahren. Ein ganz wichtiger Faktor ist schliesslich, ob die Macht zwischen verschiedenen Gruppen im Staat adäquat geteilt wird. In der Schweiz etwa haben alle drei Sprachgruppen Zugang zu den Bundesinstitutionen und insbesondere sind sie im Bundesrat vertreten. Das beugt tendenziell Separatismus vor.

Ein Grund für die Entstehung von Separatisten-Bewegungen ist, dass die reichen Regionen Ausgleichszahlungen an ärmere Regionen vermeiden möchten.

Wie erreicht eine Autonomiebewegung politisches Gewicht?

Oft ist die Reaktion des Zentralstaates entscheidend. Wenn er auf separatistische Gruppen wie beispielsweise die Katalanen zugeht, kann er sie meist kontrollieren. Wenn er die Anliegen dieser Bewegungen jedoch konsequent ignoriert und unterdrückt, werden diese stärker. In Katalonien wurden 2010 auf Ersuchen der konservativen Partei Spaniens verschiedene Teile des katalanischen Autonomiestatus demontiert. Das hat wesentlich zur momentanen Eskalation beigetragen.

Die Reaktion des Zentralstaates ist entscheidend. Wenn er auf separatistische Gruppen zugeht, kann er sie meist kontrollieren.

Welche Rolle spielt der Wohlstand für die Entstehung von Separatisten-Bewegungen?

Der relative Wohlstand eines Landes spielt dabei oft einer Rolle. Eher reiche Regionen sind gerade in Europa oft separatistisch, wie die Flamen in Belgien oder die Lombarden in Italien. Das hat verschiedene Gründe. Einer ist, dass die reichen Regionen Ausgleichszahlungen an ärmere Regionen vermeiden möchten. Das heisst, sie möchten über ihre Einkünfte lieber selbst bestimmen und das Geld, das sie verdienen lieber selbst ausgeben. Gleichzeitig ist aber auch anzumerken, dass separatistische Bewegungen oft auch in wirtschaftlich eher schwachen Regionen stark sind. Korsika ist ein gutes Beispiel dafür. Ärmere Regionen sehen sich oft als wirtschaftlich benachteiligt, was auch zu Separatismus führen kann.

Föderalismus wirkt gegen separatistische Tendenzen.

Sind zentralistisch organisierte Länder anfälliger für Separatismus als föderalistische Länder wie die Schweiz?

Das ist in der Forschung umstritten. Ich denke aber schon, dass Föderalismus gegen separatistische Tendenzen wirkt. Allerdings können Separatisten in föderalistischen Ländern auch ihre eigene Region besser kontrollieren und so ihre separatistischen Anliegen besser vorantreiben. Insgesamt aber – und das ist der heutige Forschungsstand – wird Separatismus tendenziell durch Autonomielösungen reduziert.

Das Gespräch führte Marlen Oehler.

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