In einem Wald ausserhalb der mittelschwedischen Stadt Härnösand wird scharf geschossen. Gut 100 junge Schwedinnen und Schweden befinden sich in einer neu gestarteten Schnellausbildung zur Scharfschützin und zum Scharfschützen.
Es sind Personen, die bislang keine militärische Ausbildung durchlaufen haben und nicht als Wehrpflichtige eingezogen worden sind. Im Ernstfall sollen diese Frauen und Männer mit dem Einsatz ihres Lebens dazu beitragen, das nordische Land gegen einen möglichen Angreifer zu verteidigen.
Wer ein solcher Angreifer sein könnte, ist für den früheren Oberbefehlshaber der schwedischen Streitkräfte, Micael Bydén, keine Frage. An einer Tagung zur Sicherheitspolitik in Stockholm bezeichnete Bydén kürzlich Russland als das grosse Problem. «Die Bedrohung kommt aus Russland, das ohne Rücksicht ein anderes Land militärisch angegriffen hat und einen Krieg führt», betonte der langjährige schwedische Armeechef.
Umdenken in Schweden
Tatsächlich hat Russlands Krieg in der Ukraine zu einem radikalen Umdenken in der schwedischen Sicherheitspolitik geführt. Unter anderem wurde die im Jahre 2010 abgeschaffte Wehrpflicht wieder eingeführt. Viele stillgelegte Militärstützpunkte sind wiedereröffnet worden. Und nun soll das Verteidigungsbudget des Landes, das noch vor kurzem gerade einmal einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts entsprach, vervielfacht werden.
Laut einer Aussage des konservativen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson diese Woche sollen künftig bis zu 5 Prozent des Volkseinkommens in die Sicherheit investiert werden. «Unsere Absicht ist es, künftig neben den gut 3.5 Prozent fürs eigene Militär zusätzlich 1.5 Prozent für die zivile Bereitschaft sowie die Unterstützung der Ukraine auszugeben», erklärte Kristersson an einer Medienkonferenz in Stockholm.
Russland als Feind stösst auch auf Kritik
Trotz dieser Erweiterung des Sicherheitskonzepts auf zivile Bereiche stösst die Fokussierung auf Russland als Feind sowie die Vorbereitung eines möglichen Krieges auch auf Kritik in der schwedischen Öffentlichkeit. Für die Vorsitzende der sicherheitspolitischen Nichtregierungsorganisation Svenska Freds, Kerstin Bergea, sind die Bedrohungsszenarien der schwedischen Regierung zu eng gefasst.
«Wir haben nicht nur militärische Herausforderungen zu bewältigen, sondern auch ökologische wie den Klimawandel». Zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen hat «Svenska Freds» in diesem Frühjahr deshalb eine Broschüre verteilt mit Hinweisen und Tipps, wie einem möglichen Krieg entgegengewirkt werden könnte, etwa durch das Verbot von Waffenexporten an Autokraten oder die Stärkung des Völkerrechtes.
Die Debatte macht deutlich, dass die Aufgabe der jahrhundertelangen Neutralität und der schnelle Beitritt zur Nato noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Beide Schritte wurden praktisch ohne öffentliche Debatte gemacht.
Doch die Mentalität vieler Schwedinnen und Schweden hat sich trotz des alarmistisch anmutenden Schnellzugtempos der Regierung noch kaum dem neuen Kurs angepasst.