Zum Inhalt springen

Berichterstattung im Krieg Warum ist der Krieg in Nahost für Journalisten so gefährlich?

Im Krieg zwischen Israel und der Hamas kommen viele Journalistinnen und Journalisten ums Leben. Seit der Terrorattacke der Hamas vor gut einem Monat stirbt im Schnitt pro Tag ein Medienschaffender. Trotz des Risikos ist die Berichterstattung wichtig, sagt Christopher Resch von Reporter ohne Grenzen.

Christopher Resch

Pressereferent

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Resch ist Pressereferent für «Reporter ohne Grenzen». Die Organisation informiert weltweit über Verstösse gegen die Pressefreiheit, kämpft gegen Zensur und für in Haft geratene Journalistinnen und Journalisten.

SRF News: Warum ist dieser Krieg für Medienschaffende so gefährlich?

Christopher Resch: Aus unserer Sicht ist dieser Krieg vor allem wegen der Art der Kriegsführung so gefährlich. Es ist ein relativ flächendeckendes Bombardement seitens der israelischen Streitkräfte. Und wir haben ein sehr dicht besiedeltes Gebiet auf der anderen Seite, den Gazastreifen. Journalistinnen und Journalisten müssen sich exponieren, um an belastbare Informationen zu kommen. Das sorgt leider auch dafür, dass viele sterben.

Aus unserer Sicht gibt es im Gazastreifen keinen sicheren Ort mehr.
Autor:

In Gaza sind 36 Journalistinnen und Journalisten gestorben. Haben die Leute dort überhaupt die Möglichkeit, sich diesen Angriffen zu entziehen?

Aus unserer Sicht gibt es im Gazastreifen keinen sicheren Ort mehr. Das gilt zu einem grossen Teil für Zivilisten und Zivilistinnen. Für Journalistinnen und Journalisten gilt das in noch grösserem Masse. Denn sie sind noch exponierter und im Sinne des Völkerrechts eine noch schützenswertere Gruppe. Seit die israelische Armee Gaza-Stadt und das in etwa nördlichste Viertel des Gazastreifens eingekesselt hat, gibt es dort keine Möglichkeit mehr, sich wirklich zu schützen.

Was ziehen Sie jetzt für Schlüsse für Journalistinnen und Journalisten?

Wir sind immer der Ansicht, Journalisten müssen berichten, und sie müssen auch berichten können. Natürlich unterstützen wir, wenn Menschen fliehen müssen. Das ist unsere Pflicht als humanitäre Organisation. Aber natürlich haben wir ein Interesse, und die ganze Welt sollte ein Interesse haben, dass berichtet wird. Das ist der Knackpunkt. Natürlich hat Israel das Recht, sich auf diese Terrorattacken zu wehren. Aber das Völkerrecht gebietet auch, die Bedrohung für Zivilisten und Zivilistinnen so gering wie möglich zu halten. Mit Bezug auf das, was im Gazastreifen gerade passiert, sehen wir das zu wenig.

Pressevertreter fotografieren israelische Soldaten, die sich am Boden decken.
Legende: Wegen des massiven Bombardements ist es irgendwann nicht mehr möglich, sich zu schützen, sagt Christopher Resch von «Reporter ohne Grenzen». Reuters/Violeta Santos Moura

Die Organisation HonestReporting wirft einigen Fotografen in Gaza eine grenzüberschreitende Nähe zur Hamas vor. Was sagen Sie dazu?

Das sind erschreckende Vorwürfe. Falls Fotografen in irgendeiner Form mit der Hamas unter einer Decke gesteckt haben, ist das dramatisch. Die Glaubwürdigkeit des Journalismus wird ohnehin von vielen Seiten zu untergraben versucht. Und gerade in so einem umkämpften Gebiet, auch im Kampf der Narrative, ist das Gift.

Journalisten sind keine Berichterstattungsroboter, sondern auch Menschen.
Autor:

Ich möchte auch betonen, dass HonestReporting sich kritisch mit der Berichterstattung über Israel beschäftigt und nicht unparteiisch ist. Und einer der Journalisten, dem die Vorwürfe gemacht werden, bekommt minütlich Morddrohungen auf X (Twitter). Das ist auch ein Problem.

Nehmen die Verletzungen und Tötungen von Medienschaffenden in Gaza künftig ab?

Ich glaube nicht, dass es in den nächsten Tagen bis Wochen zu einer besseren Entwicklung kommt. Die israelische Armee steht auf dem Standpunkt ‹wir müssen die Hamas vernichten›. Und es ist wirklich schrecklich, welche Strategie die Hamas fährt. Das massive Bombardement ist nur die Ebene der direkten persönlichen Bedrohung. Dazu kommt der Alltag im Krieg. Auch viele Journalisten haben Kinder und Familie oder fragen sich, wo sie schlafen können. Journalisten sind keine Berichterstattungsroboter, sondern auch Menschen.

Das Gespräch führte Sandro Della Torre.

Die Glückskette sammelt

Box aufklappen Box zuklappen
Legende:

Der Krieg im Nahen Osten hat bereits Tausende von Menschenleben gekostet, grösstenteils Zivilpersonen. Die Glückskette ruft zur Solidarität auf, um der Zivilbevölkerung zu helfen. Sie unterstützt ihre Schweizer Partnerorganisationen vor Ort – sie hilft dort, wo die humanitären Bedürfnisse am grössten sind. Zurzeit ist das Gaza.

Spenden für die Sammlung «Humanitäre Krise im Nahen Osten» können auf www.glueckskette.ch getätigt werden.

SRF 4 News, 13.11.2023, 06:26 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel