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Hannes Heine über die kriminellen Clans in Berlin
Aus SRF 4 News aktuell vom 29.11.2018.
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Berlin kämpft gegen Verbrecher «Ein krimineller Clan umfasst mehrere Hundert Personen»

Die Berliner Behörden intensivieren ihren Kampf gegen kriminelle arabische Clans. Justiz, Polizei, Ausländeramt und Jugendamt sollen besser vernetzt werden und rigoros gegen die Hunderte Mitglieder umfassenden Grossfamilien vorgehen.

Den Clans wird organisierter Raub, Hehlerei, Einbruch, Drogenhandel oder Geldwäscherei vorgeworfen. Ihre Wurzeln reichen meist in den Libanon zurück. Einer, der ihre Aktivitäten seit längerem mitverfolgt, ist der Berliner Journalist Hannes Heine.

Hannes Heine

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Der Journalist Hannes Heine schreibt seit Jahren im Berliner «Tagesspiegel» über das Problem der Clan-Kriminalität in der deutschen Hauptstadt.

SRF News: Die Behörden in Berlin wollen mit einem Fünf-Punkte-Plan gegen die kriminellen arabischen Grossfamilien in der Stadt vorgehen. Was bringt dieser Plan?

Hannes Heine: Neu ist vor allem das Signal, das der Plan an die Strafverfolgungsbehörden und die Polizei aussendet. Das Phänomen wird jetzt ernst genommen und man ist bereit, in die Bekämpfung der Kleinkriminalität zu investieren. Was sich daraus entwickeln wird, muss man abwarten.

Wie gross ist das Problem in Berlin mit den kriminellen Grossfamilien?

Zunächst muss man festhalten, dass es nicht um die arabische Community in Berlin geht, sondern um rund ein Dutzend arabische Grossfamilien und ihr Umfeld. Diese Clans sind für einen erheblichen Teil der Straftaten in einigen Quartieren wie Neukölln, Wedding oder Schöneberg verantwortlich.

Allein in diesem Jahr gab es Dutzende gewalttätige Konfrontationen – meist allerdings innerhalb des Milieus.

Allein in diesem Jahr gab es Dutzende gewalttätige Konfrontationen: Schussabgaben auf Lokale, Massenschlägereien unter Einsatz von Äxten sowie einen Mord, der an einem Sonntagnachmittag vor zahlreichen Zeugen verübt wurde. Die Clans nehmen keine Rücksicht darauf, ob Unbeteiligte geschädigt werden könnten. Fakt ist allerdings auch, dass die meisten dieser Gewalttaten innerhalb des Milieus der kriminellen arabischen Clans stattfinden.

Wie funktioniert so ein Clan typischerweise?

Die Clans sind stark abgeschottet, ein Einblick ist schwierig. Man weiss aber, dass sich eine solche Grossfamilie in der Regel um ein Kern-Paar gruppiert. Diese Kern-Familien kamen typischerweise in den 1970er- bis Anfang 90er-Jahre nach Berlin. Die meisten von ihnen stammen aus dem Libanon und flohen vor dem dortigen Bürgerkrieg. Manche der Familien sind palästinensischer Herkunft, das heisst, sie hatten auch im Libanon keine Staatsbürgerschaft. Andere haben ihre Wurzeln im kurdisch-arabischen Süden der Türkei.

Eine der kriminellen Berliner Grossfamilien ist auf mehrere Hundert Mitglieder angewachsen.

Um das Kern-Ehepaar gruppieren sich ihre zahlreichen Kinder und Kindeskinder. Von einer einschlägig bekannten Grossfamilie in Berlin ist bekannt, dass das Kern-Ehepaar zehn Kinder hatte, die wiederum zwischen zwei und sechs Kinder hatten. Inzwischen ist dieser Clan allein in Berlin auf mehrere Hundert Personen angewachsen. Die Männer dieser Grossfamilie sind über Jahre durch Bandentätigkeit, gewerbsmässigen Diebstahl und Hehlerei aufgefallen. Sie haben systematisch Maschinen, Schmuck, Gold gestohlen und weiterverkauft. Derzeit stehen vier Mitglieder des Clans vor Gericht, weil sie eine 100 Kilogramm schwere Goldmünze aus dem Bode-Museum gestohlen haben sollen.

Wie kam es dazu, dass diese zehn bis zwölf arabischen Grossfamilien in Berlin derart mächtig wurden?

Ein Grund ist, dass es sehr viele Einzelpersonen sind. Auch sind sie schon früh sehr rabiat gegen Konkurrenten in ihren Quartieren vorgegangen. So haben sich die Familien einen gewissen Ruf «erarbeitet». Schon auf dem Schulhof war und ist bekannt, wer einem solchen Clan angehört, und dass er falls nötig innert Minuten mehrere Brüder und Cousins auftreiben kann, die ihm im Konfliktfall zur Seite stehen. Auch gab es längere Zeit eine gewisse politisch motivierte Zurückhaltung, diese Familien als «kriminell» zu bezeichnen.

Lange Zeit gab es eine politisch motivierte Zurückhaltung, diese Clans ‹kriminell› zu nennen.

Tatsächlich sind nicht immer alle Mitglieder einer solchen Familie kriminell in Erscheinung getreten. Es gibt Fälle von jungen Männern, die beispielsweise zum Studieren in eine andere Stadt gezogen sind. Doch in der Kern-Familie halten zumindest die männlichen Angehörigen zusammen. So haben sie sich innerhalb des Milieus einen gewissen Respekt oder sogar Furcht erarbeitet. Das ist von der Politik jetzt erkannt worden und man hat sich ressort- und parteiübergreifend zusammengesetzt, um Massnahmen gegen diese organisierte Kriminalität zu ergreifen.

Bekommt Berlin die Clan-Kriminalität mit dem Fünf-Punkte-Plan in den Griff?

Das ist schwierig zu sagen. Das Milieu umfasst mehrere Tausend Männer und ein noch viel grösseres, weiteres Umfeld. Die Resultate hängen wohl davon ab, wie lange die Behörden durchhalten werden. So sind sie auch gegen die Rocker-Kriminalität massiv vorgegangen, woraufhin diese stark zurückging. Allerdings waren dort viel weniger kriminelle Personen involviert. Ob diese Strategie bei den Clans auch gelingt, ist fraglich. Das Milieu ist sehr gross und relativ stark abgeschottet. Ich wage da keine Prognose.

Das Gespräch führte Christoph Kellenberger.

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