- Die Beziehungen zwischen den USA und der Türkei sind belastet wegen Syrien und Fethullah Gülen.
- In Syrien kämpfen die USA gegen den IS – mit Hilfe der kurdischen YPG. Genau diese aber ist der Türkei ein Dorn im Auge.
- Der von der Türkei für den Putschversuch verantwortlich gemachte Prediger Fethullah Gülen lebt in den USA, doch die Gerichte werden einer Auslieferung kaum zustimmen.
- «Mit Trump gab es einen Hoffnungsschub – doch jetzt zeigt sich, dass es möglicherweise sogar schwieriger wird», sagt Thomas Seibert in Istanbul.
SRF News: Die Türkei hat verlauten lassen, ihr Militäreinsatz in Nordsyrien sei beendet. Die USA und die Türkei sind sich insbesondere über den Umgang mit der kurdischen YPG nicht einig. Ist die türkische Erklärung nun als Entspannungssignal gegenüber den USA zu sehen?
Thomas Seibert : Der Zeitpunkt ist tatsächlich kein Zufall, sondern eine Geste an US-Aussenminister Rex Tillerson. Allerdings haben die Türken klargemacht, dass die Geste enge Grenzen hat. Ministerpräsident Binali Yildirim sagte, die Operation in Nordsyrien könne jederzeit wieder aufgenommen werden. Die grundsätzlichen Interessengegensätze zwischen der Türkei und den USA in Syrien sind also keineswegs ausgeräumt.
Haben beide Länder nicht ein Interesse daran, den sogenannten Islamischen Staat zu bekämpfen?
Eigentlich schon, doch die Prioritäten sind anders: Für die USA ist die Bekämpfung des IS oberstes Ziel ihrer Aktivitäten in Syrien. Weil Washington aber keine Truppen dorthin schicken will, braucht sie Helfer – die syrischen Kurden. Doch ebendiese syrische Kurdenmiliz YPG wird von der Türkei als Ableger der PKK und damit als Terrororganisation eingestuft.
Ankara befürchtet, dass die Kurden an der Grenze zur Türkei einen eigenen Kurdenstaat errichten könnten. Deshalb galt die türkische Militärintervention in Syrien vor allem den Kurden – und nicht dem IS. Dies wiederum führte zu den Problemen im Verhältnis mit den USA.
Für die USA ist die Türkei zwar ein wichtiger Partner, aber nicht unverzichtbar.
Am Dienstag wurde in den USA ein hoher Manager der türkischen Staatsbank verhaftet. Inwiefern wird das den Besuch von Tillerson in Ankara belasten?
Die Verhaftung wird von türkischen Politikern ganz klar als Schritt gegen Ankara gewertet. Laut den New Yorker Behörden hat die Festnahme mit angeblichen Verstössen gegen die Sanktionen gegen Iran zu tun. Schon seit längerem sitzt in New York ein iranisch-türkischer Geschäftsmann in Untersuchungshaft, der enge Beziehungen zur türkischen Regierung hatte. Deshalb wird das Thema in der Türkei derzeit ganz heiss gekocht.
Können es sich die USA überhaupt leisten, ihren jahrzehntelangen Verbündeten in zentralen Fragen zu vergraulen?
Für die USA ist die Türkei zwar ein wichtiger Partner, aber nicht unverzichtbar. Die Amerikaner haben in der Region durchaus andere Optionen: Jordanien etwa, oder Ägypten. Auch hatten die USA und die Türkei schon in der Vergangenheit Phasen mit erheblichen Problemen, die sich erst nach Jahren wieder eingerenkt haben.
Mit Trump gab es einen Hoffnungsschub, doch jetzt zeigt sich, dass es schwierig bleibt.
Mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten keimte in der Türkei die Hoffnung auf, Washington könnte sogar den Prediger Fethullah Gülen ausliefern, den Ankara für den Putsch letzten Sommer verantwortlich macht. Ist das nur Wunschdenken?
Ein Teil ist sicher Wunschdenken, nur schon deshalb, weil die türkische Regierung davon ausgeht, eine US-Regierung könne über eine Auslieferung einer Person entscheiden. Tatsächlich hat natürlich die amerikanische Justiz das letzte Wort in der Angelegenheit. Und nach Ansicht von Beobachtern reichen die von der Türkei vorgebrachten Beweismittel nicht aus, um US-Gerichte von einer Auslieferung zu überzeugen. Gülen ist alt und krank, zudem hätte er in der Türkei möglicherweise die Todesstrafe zu erwarten, falls diese wieder eingeführt wird. Da braucht es schon sehr überzeugende Beweise.
Die Türkei ist auch vom neuen «Laptop-Ban» betroffen: Wer direkt von Istanbul in die USA fliegt, darf keinen Laptop mehr ins Handgepäck nehmen. Könnten die USA den Türken wenigstens in diesem Punkt entgegenkommen?
Wohl kaum. Präsident Trump ist nicht zuletzt wegen seiner anti-muslimischen Haltung im Amt, deshalb glaube ich nicht, dass die Amerikaner für die Türken eine Ausnahme machen. Denn dann müssten sie auch bei den Airlines der Golfstaaten Ausnahmen machen. Es sieht also danach aus, als ob die Beziehungen zwischen Ankara und Washington schwierig bleiben. Die Türken waren von Barack Obamas Politik in Syrien, aber auch wegen dessen Weigerung, Gülen auszuliefern, sehr enttäuscht. Mit Trump gab es zwar einen Hoffnungsschub, doch jetzt zeigt sich allmählich, dass es schwierig bleibt und möglicherweise sogar schwieriger wird. Trump und Erdogan werden sich im Mai erstmals persönlich treffen – vielleicht gelingt ihnen dann ja ein Durchbruch. Doch für sehr wahrscheinlich halte ich das nicht.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.