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Biotech-Firma im Zwielicht Chinesische Firma soll weltweit Gendaten von Schwangeren sammeln

Darum geht es: Eine chinesische Firma, die spezialisiert ist auf Analysen von genetischen Informationen, soll weltweit Daten von Schwangeren und deren Föten sammeln – und diese dann auswerten. Der von der Firma vertriebene pränatale Test sei gemeinsam mit dem chinesischen Militär entwickelt worden, heisst es in einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters . BGI vertreibt den nicht-invasiven pränatalen Test weltweit unter dem Markennamen «Nifty». Mittels Blutprobe der schwangeren Frau kann der Fötus untersucht werden, zum Beispiel auf das Down-Syndrom.

Frau hält Einverständnis-Erklärung von Nifty in die Kamera
Legende: Schweizer Labore setzen für ihre Analysen vor allem auf einen US-Anbieter. Zudem gelten strenge Datenschutzrichtlinien. Reuters

In China fühlt man sich zu Unrecht angegriffen: Der Bericht sei faktisch falsch, wehrt sich die chinesische BGI-Gruppe. In einer Stellungnahme versichert die Firma, sie würde sich an internationale Datenschutzbestimmungen halten. Die Daten von Frauen ausserhalb Chinas würden nicht in China gespeichert und der Test sei auch nicht gemeinsam mit dem Militär entwickelt worden, sondern von der Firma selbst. BGI könne an keiner Stelle des Verfahrens die getesteten Personen identifizieren. Auch Chinas Aussenministerium hat die Vorwürfe als haltlos zurückgewiesen.

Schweizer Labore setzen auf andere Anbieter

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Laut SRF-Wissenschaftsredaktorin Cathrin Caprez kommen die Nifty-Tests in der Schweiz – wenn überhaupt – nur sehr vereinzelt zur Anwendung. Denn hierzulande habe sich in den Laboren eine US-Firma etabliert, die seit Jahren sehr verlässliche nicht-invasive pränatale Tests herstelle.

Diese Tests werden seit 2015 in der Schweiz durchgeführt. Die hierzulande dominierenden Anbieter verfolgen laut Caprez eine andere Strategie als die chinesische Konkurrenz: Sie verkaufen in der Regel ein Gesamtpaket samt Gerätschaften, Software und Chemikalien für die Analyse vor Ort.

Die Folge: Schweizer Labore operieren mit diesem Paket autonom und unabhängig. «Das bedeutet: Die Blutproben der schwangeren Frauen werden in den Schweizer Laboren untersucht.» Die Resultate würden lokal ausgewertet und für die Qualitätssicherung eine bestimmte Zeit lang gespeichert und dann gelöscht. «Es gibt also keinen Probentransfer zum Hersteller. Egal, ob der in den USA oder in China sitzt», so Caprez.

Enge Verflechtung von Wirtschaft und Behörden: Laut Reuters heisst es in den Datenschutzbestimmungen des Tests, dass die Informationen auch an die chinesischen Behörden weitergegeben können; sofern diese relevant sind für Chinas nationale Sicherheit. BGI schreibt, dass man den Behörden nie Daten aus den Nifty-Tests weitergegeben habe, und die Behörden dies auch nie verlangt hätten. Dass der Begriff der «nationalen Sicherheit» in China ziemlich weit gefasst wird, sieht man, wenn zum Beispiel Dissidentinnen und Aktivisten verfolgt werden – auch Kritik am System oder an der Regierung kann von den Behörden als Gefährdung der «nationalen Sicherheit» interpretiert werden.

Uigurische Frau mit Kindern in der chinesischen Region Xinjiang.
Legende: Dass der chinesische Staat beim Überwachen seiner Bürgerinnen und Bürger wenig Skrupel hat, zeigte sich etwa, als die Behörden vor einigen Jahren damit begannen, systematisch biometrische Daten von Uigurinnen und Uiguren zu sammeln – einschliesslich deren DNA. Keystone/Archiv

Wie eng BGI mit den chinesischen Behörden – insbesondere dem Militär – zusammenarbeitet, lässt sich nicht abschliessend sagen. In China ist die Trennung zwischen Privatfirmen und der Regierung im besten Fall schwammig. Wenn die Behörden etwas verlangen – etwa die Herausgabe von Daten – ist es für Firmen de facto kaum möglich, sich dem zu widersetzen.

Nur wenige Blutproben aus dem Ausland gefunden: In der Schweiz ist die Heilmittelbehörde Swissmedic für die Überwachung des Marktes zuständig. «Sie tritt aber erst auf den Plan, wenn es Probleme mit medizinischen Tests gibt», erklärt SRF-Wissenschaftsredaktorin Cathrin Caprez. Die Behörde kontrolliere jedoch regelmässig die Labore, die genetische Analysen durchführen. «Für sie gilt: Sie dürfen keine Daten oder Analysen ins Ausland weggeben, ohne dass sie dies melden.» Dies dürfte auch der Grund sein, dass unter all den Blutproben, die beim chinesischen Biotechnologie-Unternehmen gefunden wurden, relativ wenige aus dem Ausland vorlagen. «Denn viele andere Länder haben diesbezüglich strengere Gesetze als China selber.»

Strengere Regulierung von Lifestyle-Gentests

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In der Schweiz fallen pränatale Gentests unter das Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen. «Darin sind solche Blutuntersuchungen bei schwangeren Frauen relativ streng geregelt», so Caprez. Aber: Wegen all der genetischen Tests, die man heute ganz einfach über das Internet bestellen kann, befindet sich das Gesetz derzeit in Überarbeitung.

Diese sind etwa für die Ahnenforschung beliebt; Anbieter werben aber etwa auch damit zu eruieren, welche Diät angeblich am besten zu den eigenen Genen passt. Für solche Lifestyle-Tests schicken Leute Speichel- oder Blutproben auch an ausländische Firmen. «Wahrscheinlich nicht immer in vollem Bewusstsein darüber, dass sie damit sehr vieles an persönlichen Daten preisgeben», so Caprez. Hier sollen die gesetzlichen Bestimmungen nun strenger werden.

Das lässt sich aus genetischen Daten herauslesen: Analysen von genetischen Daten boomen. Doch was ist heute überhaupt möglich? «Zusammengefasst ist deutlich weniger möglich als man immer wieder liest», relativiert Caprez. Bis heute sei es erst in wenigen Fällen gelungen, einen Link zwischen bestimmten Genen und etwa physischen Merkmalen herzustellen.

Auswertung einer DNA-Probe
Legende: Vorherzusagen, wie gross eine Person einmal wird, ob sie besonders anfällig für Übergewicht sein oder gar bestimmte psychische Krankheiten entwickeln wird – von all dem seien genetische Analysen heute noch weit entfernt, so Caprez. Keystone

Dies ändere aber nichts daran, dass derart umfassende Auswertungen, wie sie dem BGI vorgeworfen würden, ethisch sehr bedenklich seien. «Vor allem, weil es fragwürdig ist, ob die Betroffenen wirklich ihr Einverständnis zu solchen Forschungszwecken gegeben haben.»

Echo der Zeit, 13.07.2021, 18 Uhr ; 

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