Darum geht es: Eine chinesische Firma, die spezialisiert ist auf Analysen von genetischen Informationen, soll weltweit Daten von Schwangeren und deren Föten sammeln – und diese dann auswerten. Der von der Firma vertriebene pränatale Test sei gemeinsam mit dem chinesischen Militär entwickelt worden, heisst es in einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters . BGI vertreibt den nicht-invasiven pränatalen Test weltweit unter dem Markennamen «Nifty». Mittels Blutprobe der schwangeren Frau kann der Fötus untersucht werden, zum Beispiel auf das Down-Syndrom.
In China fühlt man sich zu Unrecht angegriffen: Der Bericht sei faktisch falsch, wehrt sich die chinesische BGI-Gruppe. In einer Stellungnahme versichert die Firma, sie würde sich an internationale Datenschutzbestimmungen halten. Die Daten von Frauen ausserhalb Chinas würden nicht in China gespeichert und der Test sei auch nicht gemeinsam mit dem Militär entwickelt worden, sondern von der Firma selbst. BGI könne an keiner Stelle des Verfahrens die getesteten Personen identifizieren. Auch Chinas Aussenministerium hat die Vorwürfe als haltlos zurückgewiesen.
Enge Verflechtung von Wirtschaft und Behörden: Laut Reuters heisst es in den Datenschutzbestimmungen des Tests, dass die Informationen auch an die chinesischen Behörden weitergegeben können; sofern diese relevant sind für Chinas nationale Sicherheit. BGI schreibt, dass man den Behörden nie Daten aus den Nifty-Tests weitergegeben habe, und die Behörden dies auch nie verlangt hätten. Dass der Begriff der «nationalen Sicherheit» in China ziemlich weit gefasst wird, sieht man, wenn zum Beispiel Dissidentinnen und Aktivisten verfolgt werden – auch Kritik am System oder an der Regierung kann von den Behörden als Gefährdung der «nationalen Sicherheit» interpretiert werden.
Wie eng BGI mit den chinesischen Behörden – insbesondere dem Militär – zusammenarbeitet, lässt sich nicht abschliessend sagen. In China ist die Trennung zwischen Privatfirmen und der Regierung im besten Fall schwammig. Wenn die Behörden etwas verlangen – etwa die Herausgabe von Daten – ist es für Firmen de facto kaum möglich, sich dem zu widersetzen.
Nur wenige Blutproben aus dem Ausland gefunden: In der Schweiz ist die Heilmittelbehörde Swissmedic für die Überwachung des Marktes zuständig. «Sie tritt aber erst auf den Plan, wenn es Probleme mit medizinischen Tests gibt», erklärt SRF-Wissenschaftsredaktorin Cathrin Caprez. Die Behörde kontrolliere jedoch regelmässig die Labore, die genetische Analysen durchführen. «Für sie gilt: Sie dürfen keine Daten oder Analysen ins Ausland weggeben, ohne dass sie dies melden.» Dies dürfte auch der Grund sein, dass unter all den Blutproben, die beim chinesischen Biotechnologie-Unternehmen gefunden wurden, relativ wenige aus dem Ausland vorlagen. «Denn viele andere Länder haben diesbezüglich strengere Gesetze als China selber.»
Das lässt sich aus genetischen Daten herauslesen: Analysen von genetischen Daten boomen. Doch was ist heute überhaupt möglich? «Zusammengefasst ist deutlich weniger möglich als man immer wieder liest», relativiert Caprez. Bis heute sei es erst in wenigen Fällen gelungen, einen Link zwischen bestimmten Genen und etwa physischen Merkmalen herzustellen.
Dies ändere aber nichts daran, dass derart umfassende Auswertungen, wie sie dem BGI vorgeworfen würden, ethisch sehr bedenklich seien. «Vor allem, weil es fragwürdig ist, ob die Betroffenen wirklich ihr Einverständnis zu solchen Forschungszwecken gegeben haben.»