Die Bluttat in Graz löst in ganz Österreich Entsetzen aus. Die Kinder- und Jugendpsychiaterin Kathrin Sevecke von der Medizinischen Universität Innsbruck hat in der Vergangenheit Gutachten in ähnlichen Fällen erstellt. Sie kommt zum Schluss: Solche Täter zeigen oft ähnliche Voraussetzungen – eine sogenannte Dreiertypologie.
SRF News: Wer tut so etwas? Und warum?
Kathrin Sevecke: Ein Gefühl von Hass, von Benachteiligung, von Ungerechtigkeitsempfinden – das ist in etwa die akute Geschichte, die sich auch über die letzten Tage aufgebaut haben kann.
Die Schule ist ein Ort des sozialen Miteinanders, wo es oft zu negativen Gefühlen kommt.
Der andere Faktor ist, dass es im Vorfeld häufig eine psychiatrische Erkrankung gegeben hat, vielleicht Schulangst, vielleicht Depression, vielleicht Mobbing oder auch etwas Wahnhaftes. Der dritte Punkt ist die relativ einfache Verfügbarkeit von Waffen. Also dass es Waffen im Elternhaus gibt oder dass die Person selber schon Waffen besitzt und Schiessübung hat.
Warum werden Schulen zum Ziel solcher Attacken?
Die Schule ist für Jugendliche ein Lebensort, wo sie sehr viele Jahre verbringen, zu dem sie einen starken Bezug haben – wie bei uns Erwachsenen die Arbeit oder Arbeitsstelle. Aber die Schule ist auch ein Ort des sozialen Miteinanders, wo es oft zu negativen Gefühlen kommt. Einerseits vielleicht kränkende Erlebnisse durch Lehrkörper oder Mitschüler, vielleicht auch Verliebtheitsgefühle, die nicht erwidert werden. Also da passiert das soziale Miteinander. Deswegen ist das häufig der Ort.
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Bild 1 von 11. Österreich hält inne: Um 10.00 Uhr stand das Land für eine Minute vielerorts still. So blieben unter anderem die 900 Busse, Strassen- und U-Bahnen in Wien für eine Minute kurz stehen. Auch in Graz sollte das öffentliche Leben kurz ruhen. (Bild aus Graz). Bildquelle: AP Photo / Darko Bandic.
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Bild 2 von 11. Die Trauerglocke des Wiener Stephansdoms mit einem besonders tiefen Klang wurde nach Angaben der Erzdiözese Wien geläutet. Bildquelle: APA / HELMUT FOHRINGER.
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Bild 3 von 11. Bereits am selben Abend nach der Tat versammelten sich auf dem Hauptplatz in Graz Menschen, um Kerzen anzuzünden und der Opfer zu gedenken. Bildquelle: REUTERS / Leonhard Foeger.
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Bild 4 von 11. Die österreichische Bundesregierung hat eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen. Bildquelle: REUTERS / Leonhard Foeger.
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Bild 5 von 11. Der Vorfall: An einer Schule in Graz hat ein 21-Jähriger zehn Menschen und sich selbst erschossen. Bildquelle: Keystone / EPA / ERWIN SCHERIAU.
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Bild 6 von 11. Ausserdem sind den Behörden zufolge elf weitere Personen verletzt worden. Bildquelle: Keystone / APA / ERWIN SCHERIAU.
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Bild 7 von 11. Der Täter war ein ehemaliger Schüler des Gymnasiums. Er hat nach Angaben der Behörden mit zwei Waffen auf Schüler und Lehrkräfte und danach sich selbst geschossen. Bildquelle: Keystone / Kleine Zeitung via AP.
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Bild 8 von 11. Die Schussabgabe löste einen Grosseinsatz aus. Laut Behörden waren 300 Polizeikräfte im Einsatz. Bildquelle: Keystone / Kleine Zeitung via AP.
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Bild 9 von 11. So sieht die betroffene Schule in Graz aus. Es handelt sich um ein Gymnasium für 14-jährige und ältere Schülerinnen und Schüler. Bildquelle: Keystone / APA / ERWIN SCHERIAU.
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Bild 10 von 11. Einsatzkräfte stehen vor dem Gymnasium in Graz, an dem ein 21-Jähriger um sich geschossen hat. Bildquelle: REUTERS / Borut Zivulovic.
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Bild 11 von 11. Über dem Parlamentsgebäude in Wien weht die Fahne seit Dienstagabend auf halbmast. Bildquelle: EPA / MAX SLOVENCIK.
Welche Möglichkeiten zur Prävention gibt es?
Es ist ganz wichtig, für die psychische Gesundheit und Stabilität in der Schule zu sorgen. Also dass bei diesen Faktoren – Mobbing, Gekränktheit, Missverstandensein, das Ausgeschlossensein aus der Gemeinschaft oder eine Depression – die Situation frühzeitig durch Präventionsprogramme und Hilfsangebote wie Therapien entschärft wird. So, dass es nicht zur Ausbildung der Krankheit, nicht zur Isolierung ausserhalb der Schulgemeinschaft kommt. Diese Präventionsprogramme gibt es – wichtig ist, sie anzuwenden und auf die psychische Gesundheit der Schüler zu achten.
Das Gespräch führte Camilla Herrmann.