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Bouteflikas Rücktritt Der Präsident geht – das System bleibt

Am Ende ging alles sehr schnell: Generalstabschef Ahmed Gaïd Salah forderte an einer Sitzung der Armeespitze am Dienstag ultimativ die Amtsenthebung von Präsident Bouteflika – eine knappe Stunde später traf das Rücktrittsschreiben ein.

Interessant die Begründung des Generals: Der Präsident habe den Brief nicht selber geschrieben, mit dem er am Vortag seinen Rücktritt bis zum 28. April angekündigt hatte. Diese Erkenntnis dürfte General Gaïd Salah nicht neu sein: Er war einer der wenigen, der noch direkten Kontakt mit dem kranken Präsidenten hatte und so auch seinen Gesundheitszustand kannte.

Alarmiert hat den Armeechef ein Nebensatz in der Rücktrittsankündigung: Vor dem Abgang wolle der Präsident noch einige wichtige Massnahmen für die Übergangszeit regeln, heisst es dort nebulös. Im Klartext: Abdelaziz Bouteflika und seine Berater wollten die entscheidenden Weichen für die Zukunft möglichst selber stellen. So autokratisch wie sie das Land in den 20 Jahren Bouteflika stets regiert hatten.

Der Wunsch nach einem Systemwandel

General Ahmed Gaïd Salah war lange ein Teil des Systems Bouteflika – bis sich der Armeechef vor wenigen Tagen vom Präsidenten distanzierte und die Amtsenthebung forderte. Ganz im Sinne der Verfassung und im Namen des Volkes.

Die Millionen von Menschen, die seit Wochen friedlich in ganz Algerien demonstrieren, wollen freilich nicht bloss einen neuen Präsidenten. Sie wollen einen echten Wandel des Systems, sie wollen Demokratie. Darauf hat sich der Armeechef an der Sitzung der Armeespitze ausdrücklich berufen und versprochen, dass die Armee das Volk auf diesem Wege unterstütze.

Das wird nicht einfach sein. Denn die Verwaltung, die nun die Neuwahl des Präsidenten durchführen soll, ist noch besetzt mit den Leuten des alten Systems. Diese werden kaum geneigt sein, ihre alten Pfründe abzugeben.

Ausreiseverbot für Bouteflika-Vertraute

Die Korruption in Algerien ist endemisch auf allen Stufen. Zumindest in den oberen Etagen hat die Armee offenbar eingegriffen. Zahlreiche Geschäftsleute aus dem Umfeld der Brüder Bouteflika wurden seit dem Wochenende mit einem Ausreiseverbot belegt.

Der bisherige Präsident des Unternehmerverbandes zum Beispiel wurde bei der Ausreise nach Tunesien festgenommen, weil er illegal algerische Dinar ins Ausland exportieren wollte. Er hatte wie viele Freunde der Bouteflikas an staatlichen Aufträgen gut mitverdient und wollte sich mit einem Teil seines Vermögens in Sicherheit bringen.

Doch der Bouteflika-Clan ist freilich nur ein Teil des Machtsystems, das seit der Unabhängigkeit Algeriens das Land bestimmt hat. Ein System, in dem auch die Armee seit je ein wichtiger Faktor ist.

Will die Armee das Versprechen ihres Generalstabschefs umsetzen und Algeriens Bevölkerung auf dem Weg zu einer Demokratie begleiten, die diesen Namen auch verdient, dann muss sie auch gegen andere Clans vorgehen. Und nicht zuletzt den eigenen Einfluss einschränken.

Nach dem Abgang Bouteflikas steht die Armee in der Pflicht. Aber den Tatbeweis muss sie erst noch liefern.

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