Zum Inhalt springen

Header

Video
Boris Johnson: «Because our Parliament is paralysed»
Aus News-Clip vom 07.11.2019.
abspielen. Laufzeit 51 Sekunden.
Inhalt

Brexit-Burnout im Parlament Britische Politikerinnen werfen das Handtuch

Das Patt um den Brexit hat ein Bild der Ohnmacht vermittelt. Der Umgangston ist rau. Besonders die Frauen haben genug.

«Das Unterhaus ist gelähmt, es steckt seit dreieinhalb Jahren fest», klagte Premierminister Boris Johnson am Mittwoch vor der Türe zu seinem Amtssitz. Bisweilen wolle er aus Frustration seine eigene Krawatte zerkauen:

I can tell you, I got to the stage where I'll be wanting to chew my own tie in frustration.
Autor: Boris Johnson Britischer Premier

Das Parlament bildet bekanntlich ein zerrissenes Volk ab, und die Regierungen Cameron, May und Johnson haben bestimmt eben soviel zur Lähmung beigetragen wie die Abgeordneten.

Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox
Legende: Generalstaatsanwalt mit klarer Kante: Geoffrey Cox erklärt das Parlament für tot. Die Polarisierung in der britischen Politik nimmt stetig zu. Reuters

Doch die Verteufelung des Parlaments, das den Volkswillen sabotiere, kennzeichnet die Regierung Johnson seit ihrem Amtsantritt. Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox Ende September:

This Parliament is a dead Parliament. It should no longer sit. It has no moral right to sit on these green benches.
Autor: Geoffrey Cox Generalstaatsanwalt

Dieses Unterhaus sei tot; es habe seinen moralischen Anspruch verwirkt. Die frühere Innenministerin Amber Rudd, die sich nun nicht mehr zur Neuwahl stellt, warnte: Sie flehe den Generalstaatsanwalt an, auf dieses Bild von einem Duell zwischen Parlament und Volk zu verzichten:

Can I urge the Attorney General to cease this language of pitting Parliament against the people.
Autor: Amber Rudd Ehemalige britische Innenministerin

Rudd gehört zu einer grösseren Gruppe von gemässigten, liberalen Konservativen – Frauen und Männern –, die ihren Abgang aus der Politik verkündet haben.

Amber Rudd
Legende: Amber Rudd (links neben Boris Johnson) ist eine derjenigen, die eindringlich vor einer Verrohung des Umgangstons in der britischen Politik warnt. Reuters/Archiv

Paradoxerweise gilt: Die Mitte wird marginalisiert, weil die Tories nach rechts und Labour nach links abgedriftet sind. Das sind die Inhalte, nun zur Form. Die Labour-Abgeordnete Paula Sherriff wandte sich damals direkt an Johnson:

With many of us in this place subject to death threats and abuse every single day, let me tell the Prime Minister that they often quote his words; surrender act, betrayal, traitor – and I for one am sick of it.
Autor: Paula Sherriff Labour-Abgeordnete

Viele Abgeordnete seien täglich Todesdrohungen und Verwünschungen ausgesetzt. Die Täter beriefen sich oft auf Johnson Rhetorik, auf Kapitulation, Betrug und Verrat. Sie habe die Nase voll. Die Sprache müsse gemässigter werden.

Jo Cox
Legende: Am 16. Juni 2016 wurde Jo Cox in Birstall, West Yorkshire, von einem Rechtsextremen angeschossen und niedergestochen. Nach Augenzeugenberichten schrie er nach seiner Tat «Britain first!» Reuters

Obwohl sich Sheriff unmittelbar davor auf Jo Cox bezogen hatte, die Labour-Abgeordnete, die wenige Tage vor dem Brexit-Referendum von einem Rechtsextremen ermordet worden war, blieb Johnson taub:

I have to say, Mr Speaker, I've never heard such humbug in my life.
Autor: Boris Johnson Britischer Premier

Der grösste Schwindel, der ihm je zu Ohren gekommen sei. Die ehemalige konservative Abgeordnete Anna Soubry war entsetzt:

You know, I'm quite a tough cookie. I was reduced to tears that night in the Commons. I had to leave the chamber.
Autor: Anna Soubry Ehemalige Tory-Abgeordnete

Sie sei ziemlich abgebrüht, aber sie sei in Tränen ausgebrochen und musste die Kammer verlassen, als Johnson die Klage von Paula Sherriff mit dem Wort Humbug quittierte. Soubry wird dauernd persönlich und digital beschimpft und bedroht. Ihr Partner und ihre 84-jährige Mutter ebenso.

Anna Soubry
Legende: Die beiden grossen Parteien besetzen ideologisch radikalere und schmälere Territorien als bisher, der Umgangston ist grob – auch im Netz: Verdiente Politikerinnen wie Anna Soubry werden bedroht. Reuters

Das hat Folgen für alle Abgeordneten, namentlich für Frauen. Die Labour-Abgeordnete Rosie Duffield schilderte gegenüber dem britischen Fernsehen die Warnungen der Polizei:

Not going out alone, not going out in the dark. Those are all necessary, unfortunately, at the moment, but it does make a winter campaign very difficult to conduct.
Autor: Rosie Duffield Labour-Abgeordnete

Sie sollten nicht allein und nicht im Dunkeln unterwegs sein. Sie verstehe das, aber es erschwere einen Winterwahlkampf sehr. Die konservative Parlamentarierin Mims Daviers, die nach nur zwei Jahren ihren Sitz nicht mehr verteidigt, ergänzt:

So, those open surgeries, for example, you just can't do, now, particularly as a woman MP.
Autor: Mims Davies Tory-Abgeordnete

Die offenen Sprechstunden im Wahlkreis seien nicht mehr möglich, bestimmt nicht für Frauen.

Nicky Morgan
Legende: Die Zeichen stehen auf Sturm: Gemässigte Stimmen wie Nicky Morgan verlassen die Politik. Die Lautsprecher rücken vor. Reuters

Die ehemalige Erziehungsministerin Nicky Morgan tritt auch nicht mehr an. Jeden Morgen finde sie neue, grobe und beleidigende E-Mails vor:

Every morning, you turn the e-mails on, and there is more stuff that is rude, offensive.
Autor: Nicky Morgan Ehemalige Erziehungsministerin

Es sind viele jüngere Frauen, oft Konservative, immer Gemässigte, die genug von diesen bedrohlichen Anwürfen haben. Die britische Politik wird dadurch enger und gehässiger – und dabei hat der Wahlkampf eben erst begonnen.

Audio
Gefährlicher Wahlkampf in Grossbritannien
aus Echo der Zeit vom 07.11.2019. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 15 Sekunden.
Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel