Zum Inhalt springen

Brexit-Gipfel in Brüssel Verschoben bis Ende Oktober – vielleicht...

Warum ausgerechnet der 31. Oktober? Warum verschieben die Staats- und Regierungschefs den Brexit gerade auf Ende Oktober? Es ist – wie so oft – ein klassischer Kompromiss. Um diesen zu verstehen, lohnt es sich, sich die unterschiedlichen Ausgangspositionen zu Beginn des Gipfels vor Augen zu führen. Zwei Positionen standen sich zu Beginn gegenüber.

Die grosse Mehrheit der Staats- und Regierungschefs argumentierte: Sollten sich die Briten weiterhin nicht einigen können, brauche es eine lange Verschiebung bis zu einem Jahr, um einen No-Deal-Brexit zu verhindern. Sie wollten den Briten genügend Zeit geben. Zudem sollte eine solch lange Verschiebung verhindern, dass der Brexit auch in den nächsten Wochen und Monaten die Agenda der EU dominiert und die Chefs der EU-Mitgliedstaaten immer wieder zu Krisengipfeln nach Brüssel eilen müssen, um das Schlimmste abzuwenden.

Bei einer Verschiebung um bis zu einem Jahr wurde zudem mit dem Gedanken gespielt, dass dies für die hartgesottenen Brexiteers eine so ungeniessbare Perspektive darstellt, dass sie doch noch Ja sagen könnten zum vorliegenden Austrittsabkommen.

Macron allein auf weiter Flur

Gegen diese lange Verschiebung wehrte sich vor allem der französische Präsident Emmanuel Macron. Er begründete seinen Widerstand mit den EU-Wahlen von Ende Mai, zudem argumentierte er, dass eine lange Verschiebung die Stabilität der EU-Institutionen gefährden würde. Macron sprach sich denn auch für eine lediglich kurze Verschiebung des Brexit-Termins aus. Eine solche sollte zudem die in London regierenden Tories und die oppositionelle Labour-Partei unter maximalen Druck setzen sich so rasch als möglich doch noch auf eine gemeinsame Position zu einigen.

Im Verlaufe des EU-Gipfeltreffens sah es danach aus, dass Macron ziemlich allein auf weiter Flur für eine kurze Verschiebung kämpfte. Und manche fragten sich, wie er von diesem Baum wieder runterkommt. Doch mit der Einigung auf Ende Oktober ist es den 27 EU-Staaten nun gelungen, die beiden unterschiedlichen Ausgangspositionen unter einen Hut zu bringen, so dass sich niemand als Verlierer sehen muss.

31. Oktober ist nicht in Stein gemeisselt

Auch wenn Macron mit seinem Verhalten die anderem Staats- und Regierungschefs zum Teil ziemlich genervt haben soll, kann er für sich in Anspruch nehmen, dass er eine lange Verschiebung um bis zu einem Jahr verhindert hat. Die anderen können dafür argumentieren, dass die Briten nun nochmals sechs Monate Zeit haben, um eine Lösung zu finden bis Ende Oktober.

Zudem steht nirgends geschrieben – sollte auch Ende Oktober noch immer keine Lösung auf dem Tisch liegen –, dass die Staats- und Regierungschefs den Brexit dann nicht nochmals verschieben, vielleicht sogar müssen. Denn das strategische Ziel bleibt das gleiche: einen No-Deal-Brexit zu verhindern.

Die Briten können die EU übrigens auch früher verlassen, das Parlament muss einfach Ja sagen zum Austrittsabkommen. Und sollte Grossbritannien bis am 21. Mai ausgetreten sein, muss es auch bei den EU-Wahlen nicht teilnehmen. Wenn es aber danach noch EU-Mitglied ist, muss es auch EU-Wahlen abhalten.

Oliver Washington

Bundeshausredaktor

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Oliver Washington ist seit 2003 bei SRF. Ab 2007 war er Mitglied der Inland-Redaktion, von 2014 bis 2019 berichtete er als EU-Korrespondent aus Brüssel. Nun ist er in der Bundeshausredaktion von SRF tätig. Washington hat Soziologie, Geografie und Wirtschaftsgeschichte studiert.

Meistgelesene Artikel