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Brexit-Vertrag Die EU im Nervenkrieg mit Grossbritannien

Die Endphase des Brexit-Dramas hat begonnen. Die britische Premierministerin Theresa May will die Garantieklausel im Scheidungsabkommen für eine offene innerirische Grenze («Backstop») mit der EU nachverhandeln, EU-Ratspräsident Donald Tusk hat dieses Ansinnen umgehend zurückgewiesen.

Was bevorsteht, bezeichnen Verhandlungsexperten als Angsthasen-Spiel: Grossbritannien und die EU rasen aufeinander zu, es droht ein Crash, ein Brexit ohne Abkommen und mit grossen wirtschaftlichen Problemen. Und die Frage lautet: Wer wird aus Angst vor dem Crash zuerst einlenken?

Lenkt die EU doch noch ein?

Ohne Zugeständnis der einen oder anderen Seite kommt es zum Unfall. Und je näher der 29. März rückt, desto banger wird sich die EU die Frage stellen, ob sie allen Absagen zum Trotz vielleicht doch Hand zu Nachverhandlungen bieten sollte.

  • Dafür spräche, dass das Scheidungsabkommen für die 27 verbleibenden EU-Staaten insgesamt ein gutes Abkommen ist. So verpflichtet sich Grossbritannien etwa, der EU bis zu 45 Milliarden Euro zu überweisen. Ohne Deal droht sie leer auszugehen.
  • Vor allem aber bliebe just jenes Problem ungelöst, an dem das Scheidungsabkommen zu scheitern droht. Denn ohne Abkommen wäre erst recht unklar, wie die Zukunft der inneririschen Grenze aussieht. Vielleicht reift am Schluss die Erkenntnis: lieber eine andere Garantieklausel als gar keine Garantieklausel.
  • Und schliesslich gäben die Briten der EU Schuld am Scheitern, es droht für Jahre ein zerrüttetes Verhältnis.

Oder bleibt Brüssel hart?

Trotzdem haben die EU-Zentrale und die 27 verbleibenden Mitgliedsstaaten Nachverhandlungen bisher stets ausgeschlossen. Auch dafür gibt es gute Gründe.

  • Vor allem das EU-Mitglied Irland beharrt auf der Garantieklausel in ihrer jetzigen Form, gross ist dort die Angst vor einem Wiederaufflammen des Bürgerkriegs im benachbarten Nordirland. Die EU stellt sich hinter ihr eigenes Mitglied und gegen die austretenden Briten.
  • Es war die britische Regierung, welche die Garantieklausel mit der EU ausgehandelt hatte – und damit im eigenen Parlament scheiterte. Auch wenn die EU der britischen Regierung entgegenkäme, könnte diese zu Hause abermals Schiffbruch erleiden. Für die EU wäre dies der Verhandlungs-Super-GAU.
  • Das Scheidungsabkommen umfasst 585 Seiten, eineinhalb Jahre lang wurde verhandelt. Diesen Text innerhalb weniger Wochen neu auszuhandeln, erscheint illusorisch.

Doch eine Angst geht um in Europa, die Angst vor den Folgen eines Brexit-Crashs. Er würde zuallererst die britische Wirtschaft treffen, aber auch andere Volkswirtschaften, die mit ihr eng verbunden sind: Irland, die Niederlande und Deutschland zum Beispiel.

Noch schliesst die EU eine Nachverhandlung des Scheidungsabkommens kategorisch aus. Sie spekuliert darauf, dass die Briten zuerst einlenken. Denn im Angsthasen-Spiel gewinnt, wer den Crash weniger fürchtet – und die besseren Nerven hat.

Sebastian Ramspeck

Internationaler Korrespondent

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Sebastian Ramspeck ist internationaler Korrespondent für SRF. Zuvor war er Korrespondent in Brüssel und arbeitete als Wirtschaftsreporter für das Nachrichtenmagazin «10vor10». Ramspeck studierte Internationale Beziehungen am Graduate Institute in Genf.

Hier finden Sie weitere Artikel von Sebastian Ramspeck und Informationen zu seiner Person.

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