Worum geht es? Die Oppositionspartei Labour will das politische System im Vereinigten Königreich grundsätzlich und nachhaltig verändern. Gordon Brown, der ehemaliger Premierminister, schlägt vor, das Oberhaus, die zweite Parlamentskammer im britischen Parlament, durch eine demokratisch gewählte Vertretung zu ersetzen. Labour-Parteichef Keir Starmer stellt sich im Parlament hinter diesen Vorschlag.
Was ist das Oberhaus? Das House of Lords besteht aus 800 Mitgliedern. Im Unterschied zum Unterhaus werden diese nicht gewählt, sondern auf Vorschlag der Regierung vom König ernannt. Bis 1958 waren die Mitglieder des Oberhauses ausschliesslich Adlige. SRF-Grossbritannien-Korrespondent Patrik Wülser sagt: «Rund 90 Personen sind immer noch aus dem Adelsstand. Die anderen Mitglieder sind Personen, die sich in Politik, Wirtschaft oder Wissenschaft besonders verdient gemacht haben, sowie die Bischöfe der anglikanischen Kirche.» Ein Mandat im Oberhaus gilt lebenslänglich und wird pro Tag im Parlament vom Steuerzahler mit rund 400 Franken entschädigt.
Welche Kompetenzen hat das House of Lords? Nach den geltenden Bestimmungen hat das Oberhaus nur noch eine beratende Funktion. Es kann neue Gesetze nur hinauszögern, nicht kippen. «Die Idee ist, dass Leute aus Politik, Diplomatie, Wirtschaft und Wissenschaft die Gesetzesvorlagen abseits der tagesaktuellen Politik beurteilen und prüfen. Während der Brexit-Debatte zum Beispiel hat das Oberhaus bei Vorlagen, die internationales Recht tangiert oder die Reputation des Landes beschädigt hätten, warnend das Veto eingelegt.»
Was stört die Opposition am House of Lords besonders? Es herrsche das Gefühl, viele Mitglieder sässen nur aufgrund ihrer Beziehungen zur Konservativen Partei und nicht wegen ihrer Beiträge für die Gesellschaft in dieser Kammer, sagt Ex-Premier Brown. Er verwies auf den ehemaligen Premier Boris Johnson, der seinen Bruder zum Mitglied hatte ernennen lassen.
Gäbe es einen Ersatz für das Oberhaus? An die Stelle des House of Lords solle eine demokratisch gewählte Kammer rücken, die die Regionen und Landesteile repräsentiert. Gemäss dem vorliegenden Vorschlag der Labour-Partei würde das Oberhaus auf 300 Mitglieder schrumpfen und vom Volk gewählt. Korrespondent Wülser sagt dazu: «Die neue Kammer wäre vergleichbar mit dem Ständerat in der Schweiz. Die Macht soll föderaler verteilt werden. Schottland, Wales und Nordirland sollen besser repräsentiert werden.»
Starmer präsentierte eine Alternative zur Scheidung.
Welche politische Absicht steckt dahinter? Die Idee der Dezentralisierung der Macht sei auch ein Signal an Schottland, sagt Wülser. Die Frage der Unabhängigkeit spalte die Schottinnen und Schotten. «Parteichef Starmer präsentiert mit diesem Vorschlag nun eine Alternative zur Scheidung und zeigte, wie er das brüchige Königreich zusammenhalten möchte.»