Es vergeht kein Tag, an dem US-Aussenminister Antony Blinken nicht mit Amtskolleginnen und -kollegen rund um den Globus spricht. Wohl wissend, dass es absolut entscheidend ist, Russland geeint die Stirn zu bieten. Doch inzwischen schiessen immer mehr Länder quer.
Die Türkei in der Nato etwa oder Ungarn in der EU. Andere wie Italien drängen auf rasche Verhandlungen mit Moskau. Und Deutschland bremst weiter bei Waffenlieferungen. Das europäische Hin und Her wird natürlich in den USA zur Kenntnis genommen und gibt jenen Kreisen ganz links und ganz rechts Auftrieb, die aus pazifistischen, populistischen, isolationistischen oder wirtschaftlichen Gründen das massive Engagement Washingtons zugunsten der Ukraine beenden möchten.
Trump gegen Hilfe für Ukraine
Mit gutem Gespür dafür, woher der Wind gerade weht, springt Ex-Präsident Donald Trump auf diesen Zug auf. Er wettert gegen das umfangreiche Ukraine-Hilfspaket, das eben vom Parlament in Washington gutgeheissen wurde: «40 Milliarden Dollar für die Ukraine – die würden wir besser in Sicherheitsmassnahmen für Schulen investieren, um dort Massaker zu verhindern.»
Verblüfft und empört sind jene Kreise, die hinter der Ukraine stehen, dass nun sogar der Doyen der amerikanischen Aussenpolitik, der eben 99-jährig gewordene Henry Kissinger, für Verhandlungen mit Putin wirbt.
Und zwar selbst zum Preis, dass die Ukraine dauerhaft Territorien an Russland abgibt und sich zur Neutralität bekennt, also weder eine Nato- noch die EU-Mitgliedschaft anstrebt. Das erklärte Kissinger vorige Woche per Videoschaltung auf dem Weltwirtschaftsforum WEF in Davos.
«Viel zu teuer» für die Republikaner
Lindsey Graham, einer der führenden republikanischen Aussenpolitiker im Senat, weist das entschieden zurück. Doch unter den Republikanern wächst der Unmut, zumal die Ukraine wohl noch sehr lange Unterstützung brauchen wird und diese enorm teuer ist. Senator Josh Hawley, ein glühender Anhänger von Trump, lehnte deshalb das 40-Milliarden-Hilfspaket ab. «Viel zu teuer», meinte er.
Zehn weitere republikanische Senatoren taten es ihm gleich, ebenso 57 Abgeordnete im Repräsentantenhaus. Eine Schlüsselrolle spielte dabei die einflussreiche Denkfabrik Heritage Foundation, wie deren neuer, populistische Chef Kevin Roberts unbescheiden kundtut.
Die Heritage Foundation war früher klassisch-konservativ. Sie trat für den US-Krieg im Irak ein, für das Engagement in Afghanistan und war konsequent gegen Russland. Sie kritisierte Präsident Barack Obama, weil er sich im syrischen Bürgerkrieg zurückhielt. Ihr traditionelles Credo war jenes des früheren Präsidenten Ronald Reagan: «Friede durch Stärke.»
Was nützt das alles den USA?
Doch inzwischen steuert die Denkfabrik einen populistischen Trump-Kurs. Entscheidend sei «America First», also allein die Frage, was den USA selber am meisten nütze. Die Unterstützung der Ukraine gehört offenbar nicht dazu. Zahlreiche rechte Organisationen schliessen sich der Heritage Foundation an und setzen die Segel entsprechend – weshalb die Regierung von Joe Biden plötzlich starken Gegenwind spürt.
Zwar brachte der Präsident sein milliardenschweres Hilfspaket durch. Und diese Woche dürfte der Beschluss folgen, der Ukraine unter anderem potente Raketen von grosser Reichweite zu liefern. Doch der Konsens bröckelt. Das dürfte man im Kreml mit Genugtuung mitverfolgen.