Technisch wäre eine Demontage der grünen Bücherkisten machbar, wie ein Testlauf vor einigen Tagen demonstriert hat. In einer Nachtübung haben Angestellte der Stadt Paris vier Boxen abgebaut und anschliessend wieder neu montiert.
Für die Sicherheit sei diese Massnahme unumgänglich, erklärte Polizeipräfekt Laurent Nuñez am anderen Morgen vor einem Heer von Journalisten. Wenn sich bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele Hunderttausende Menschen am Seine-Ufer drängen würden, könnte es zwischen den Kisten auf den Quai-Mauern zu schweren Unfällen kommen. Zudem könnten Terroristen die Kisten als Versteck für mögliche Anschläge nutzen.
Die Buchhändler am Seine-Ufer hat dieser Testlauf wenig überzeugt. Nur das Thema Sicherheit lässt Jérôme Callais, der Präsident der Vereinigung der Bouquinisten von Paris, gelten. Sicherheit sei eine zentrale Frage, aber die Bücherkisten am Ufer zu entfernen, sei völlig überrissen. Dies habe auch der Testlauf gezeigt: Die Stadt sei mit einem Bagger, mit mehreren Lastwagen und rund zwei Dutzend Personen angerückt. Dies zeige, wie aufwendig es wäre, nächsten Sommer über 400 bis 500 Kisten zu entfernen.
Im Sommer ist Hochsaison
Jérôme Callais steht vor seinen Bücherkisten am Quai de Conti zwischen dem Pont Neuf und der Académie française. Am anderen Ufer der Seine glänzt der Louvre im Schein der Abendsonne. Weniger romantisch ist der Abendverkehr, der immer dichter wird. Er habe den ganzen Nachmittag noch kein einziges Buch verkauft.
Der Winter sei eine schwierige Jahreszeit, selbst bei schönem Wetter. Der Sommer sei Hochsaison, auch wegen der vielen Touristen. Und ausgerechnet im Sommer müssten sie für mindestens einen Monat schliessen, fürchtet Callais.
Ein Kampf ums Überleben
Die Bouquinisten hätten in den letzten Jahren ohnehin ums Überleben kämpfen müssen. Die Protestbewegung «Gilets Jaunes» versetzte Paris an Wochenenden regelmässig in Ausnahmezustand. Dann lähmten Ausgangssperren während der Pandemie das Geschäft. Viele Bouquinisten hätten sich zum Überleben darum noch andere Beschäftigungen suchen müssen. Inzwischen würden viele ihre Bücherkisten nur noch am Wochenende öffnen.
Die Bouquinisten machen Paris zur grössten und berühmtesten Buchhandlung der Welt.
Das Gewerbe mit seiner über 400 Jahre alten Tradition sei bedroht, sagt Jérôme Callais, der schon lange dafür lobbyiert, dass die Bouquinisten durch die Unesco ins immaterielle Weltkulturerbe aufgenommen werden. Die Bouquinisten machten Paris zur grössten und berühmtesten Buchhandlung der Welt. Es sei völlig unverständlich, dass die Stadt dieses kulturelle Erbe so schlecht pflege. Schliesslich habe Paris seine Kandidatur für die Olympischen Spiele auch mit Kultur begründet – und nun wolle Paris diese Besonderheit während der Eröffnungsfeier aus dem Bild verbannen.
Das letzte Wort in dieser Sache ist noch nicht gesprochen. Die Buchhändler am Seine-Ufer haben die Justiz angerufen. Im Dezember noch soll es vor dem Verwaltungsgericht Paris zu einer ersten Verhandlung kommen. Und notfalls will die Vereinigung der Bouquinisten den Fall auch vor den Conseil d'Etat, das höchste Verwaltungsgericht Frankreichs, ziehen.