Seit vier Jahren ist Sigmar Gabriel die rechte Hand von Angela Merkel: Zwar ging damals der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sang- und klanglos unter, dennoch kam es zur grossen Koalition mit CDU, CSU und SPD – und mit dieser Allianz zum Vizekanzler Gabriel.
Dass es für ihn schwierig geworden wäre, aus dieser Position heraus einen Wahlkampf zu führen, war allen klar. Doch die Spekulationen gingen in eine andere Richtung: Dass er von seinem Amt als Vizekanzler und Wirtschaftsminister zurücktreten würde. Aber sicher nicht, dass Gabriel auf den Wahlkampf verzichten würde.
Zickzack-Kurs machte ihn unglaubwürdig
Wahrscheinlich war es gerade sein Amt als Wirtschaftsminister, das Gabriel in der Bevölkerung unbeliebt gemacht hat. Dass der Mann, der Rüstungsexporte in umstrittene Länder, Freihandelsabkommen und Stellenabbau in Kohlekraftwerken vorantreibt, gleichzeitig der Chef der Genossen ist, hat ihn Punkte bei der Wählerschaft gekostet.
Der Zickzack-Kurs machte ihn unglaubwürdig . Ein Zickzack-Kurs, den Gabriel ebenfalls vor vier Jahren vollführen musste, als er plötzlich vom Oppositionschef zum Kanzlerkollegen wechselte.
Dass Gabriel eine politische Karriere anstrebt, dass er hoch hinaus will, hat der Politiker schon früh gezeigt: Mit 18 Jahren trat er in die SPD ein und machte sich einen Namen in der kommunalen Politik von Niedersachsen.
Auf den Aufstieg folgte der Absturz
1999 folgte sein wohl grösster Erfolg: Mit 40 Jahren wurde Gabriel der jüngste Regierungschef eines Bundeslandes. Er trat die Nachfolge von seinem Parteikollegen Gerhard Glogowski an. Dieser stolperte über eine Finanz-Affäre.
Nach dem fulminanten Aufstieg kam aber bald der Fall: 2003 büsste die SPD unter Sigmar Gabriel über 14 Prozent bei den Landtagswahlen in Niedersachsen ein. Gabriel musste seinen Regierungsposten an CDU-Politiker Christian Wulff abgeben und verlor in der Partei an Ansehen und Respekt. Sein politischer Ziehvater Gerhard Schröder machte Gabriel daraufhin zum «Beauftragten für Popkultur und Popdiskurs der SPD» – eine Besetzung, die ihm den spöttischen Übernamen «Siggi Pop» einbrachte.
Vom «Sigi-Pop» zum Bundesminister
Zwei Jahre lang war Gabriel aus dem Rampenlicht verschwunden, bis ihn der damalige Bundesvorsitzende Franz Müntefering aus der Versenkung holte: Er machte Gabriel zum Bundesumweltminister in der grossen Koalition. Gabriel nutzt das neue Amt aus, fährt mit Angela Merkel nach Grönland, um den Klimawandel zu bekämpfen, poltert gegen das Atomendlager Gorleben und setzt sich für eine 120-km/h-Tempolimit auf deutschen Autobahnen ein. Er zeigt sich wieder.
Die Rechnung geht auf: 2009 wird er mit 94,2 Prozent der Stimmen zum neuen SPD-Chef gewählt – und das, kurz nachdem die Partei bei den Kanzlerwahlen mit ihrem Kandidaten Frank-Walter Steinmeier eine historische Niederlage einfahren mussten.
Gabriel soll die Partei aus dem Tief herausholen, politisiert und polarisiert als Chef der Opposition im Bundestag – bis er Vizekanzler von Angela Merkel wird. Und jetzt, anstatt Kanzlerkandidat zu werden, wohl ins Auswärtige Amt wechselt .