Nach mehr als 50 Jahren Militärdiktatur und militärnaher Regierung ist in Burma erstmals ein frei gewähltes Parlament zusammengetreten. Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi zieht an der Spitze der 255 Abgeordneten ihrer Nationalliga für Demokratie (NLD) in der Hauptstadt Naypyidaw in die Volksvertretung ein.
Viele Menschen haben ihr Leben für diesen Tag lassen müssen.
Suu Kyi erscheint in einem leuchtend pinkfarbenen Outfit und sticht damit aus den überwiegend beige gekleideten Abgeordneten hervor. Ihre Partei hatte die Wahlen im November haushoch gewonnen und verfügt über eine absolute Mehrheit.
Das Leben von Aung San Suu Kyi in Bildern
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Bild 1 von 18. Aung San Suu Kyi mit ihren Eltern 1947: Geboren wurde sie 1945 in Rangun, Britisch-Birma (Burma). Trotz 15 Jahre Hausarrest unter der Militärjunta sagt sie: «Ich mag die Armee.» Ihre Zuneigung liegt in ihrer Geschichte: Ihr Vater, General Aung San, gilt als der Gründer der burmesischen Armee. Für den Vater seien die Soldaten wie Söhne gewesen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 18. Suu Kyis Vater, General Aung San, wird bis heute in Burma als Nationalheld verehrt, der das Land in die Unabhängigkeit führte. Aung San wurde zwei Jahre nach der Geburt seiner Tochter 1947 während einer Kabinettssitzung ermordet. Verantwortlich für das Attentat waren politische Widersacher. Bildquelle: Wikipedia.
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Bild 3 von 18. Die kleine Aung San Suu Kyi 1948 (links im Bild) mit Lord Louis Mountbatten, Gouverneur von Indien, und seine Ehefrau Edwina: Suu Kyi wuchs in Indien auf. Ihre Mutter war die erste weibliche Botschafterin Burmas und war zu der Zeit in Indien stationiert. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 18. Nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi ging Aung San Suu Kyi nach England. Dort studierte sie an der Universität Oxford. 1967 schloss sie ihr Studium mit einem Bachelor in Philosophie, Politik und Wirtschaft ab. Im Bild: Aung San Suu Kyi, im Alter von sechs Jahren (1951). Bildquelle: Wikipedia.
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Bild 5 von 18. 1972 heiratete Suu Kyi den britischen Tibetologen Michael Aris, mit dem sie zwei Söhne hat. 1974 zog das Ehepaar nach Oxford, wo Aris eine Anstellung als Professor hatte. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 18. 1988 kehrte die 43-jährige Suu Kyi wegen ihrer kranken Mutter nach Burma zurück. Zuvor hatte sie in Indien, Grossbritannien und den USA gelebt. In Burma zurück erlebte sie blutige Aufstände und den Sturz der alten Militärjunta. Drei Wochen später folgte die nächste Militärdiktatur. Fortan setzte sie sich für die Demokratisierung Burmas ein. Bildquelle: Reuters.
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Bild 7 von 18. Im September 1988 wurde die Nationale Liga für Demokratie (NLD) gegründet. Aung San Suu Kyi übernahm den Parteivorsitz. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 18. Die Militärregierung lehnte demokratische Bewegungen jedoch ab. Im Februar 1989 verbot sie die NLD. Im Juli wurde die 44-jährige Aung San Suu Kyi unter Hausarrest gestellt. Begründung: Die NLD-Parteivorsitzende gefährde die staatliche Sicherheit. 1990 gewann die NLD die Wahlen. Das Ergebnis wurde von den Militärmachthabern aber nicht anerkannt. Bildquelle: Reuters.
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Bild 9 von 18. In ihrem Haus in Rangun verbrachte Aung San Suu Kyi ihren Hausarrest. Bildquelle: Reuters.
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Bild 10 von 18. 10. Dezember 1991: Michael Aris, Aung San Suu Kyis Ehemann, nimmt mit den gemeinsamen Söhnen den Friedensnobelpreis für sie in Empfang. Suu Kyi befürchtete, dass ihr die Wiedereinreise nach Burma verweigert würde, falls sie selbst nach Oslo reise. Der Preis wurde ihr «für ihren gewaltlosen Kampf für Demokratie und Menschenrechte» verliehen. Bildquelle: Reuters.
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Bild 11 von 18. Am 10. Juli 1995 wurde der Hausarrest gegen Aung San Suu Kyi nach rund sechs Jahren scheinbar aufgehoben. Ihr Bewegungsspielraum blieb aber für mindestens vier weitere Jahre eingeschränkt. Journalisten und UNO-Mitglieder durften sie mehrfach besuchen. Ihren Ehemann aber sah sie bis zu seinem Tod am 27. März 1999 nicht mehr. Bildquelle: Reuters.
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Bild 12 von 18. Auch Ihren Sohn Kim Aris hatte sie jahrelang nicht mehr gesehen. Kim konnte seine Mutter Aung San Suu Kyi erstmals im November 2010 in Burma besuchen. Seit seinem letzten Besuch waren mehr als 10 Jahre vergangen. Bildquelle: Reuters.
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Bild 13 von 18. Nach etlichen Arresten und Inhaftierungen konnte Aung San Suu Kyi im April 2012 erstmals bei den Nachwahlen für einen Parlamentssitz teilnehmen. Ihre Nationale Liga für Demokratie (NLD) gewann 43 der 45 frei gewordenen Sitze. Am 2. Mai 2012 legte Suu Kyi ihren Eid als Abgeordnete ab. Seit März 2013 ist Suu Kyi wieder die Parteivorsitzende der NLD. Bildquelle: Keystone.
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Bild 14 von 18. Am 22. Oktober 2013 überreicht der Präsident des EU-Parlaments Martin Schulz Suu Kyi den Sacharow-Preis. Das Parlament hatte ihr die Auszeichnung für ihren Einsatz für die Menschenrechte im Jahr 1990 verliehen. Damals stand sie unter Hausarrest. Bildquelle: Reuters.
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Bild 15 von 18. 8. November 2015: Aung San Suu Kyis Partei NLD gewinnt die ersten freien Wahlen in Burma seit 25 Jahren. Die 70-Jährige darf selber nicht Präsidentin werden. Das verhindert die Verfassung des Landes. In der neuen Regierung übernimmt Suu Kyi den eigens für sie geschaffenen Posten der Staatsberaterin. Zudem wird sie Aussenministerin. Bildquelle: Reuters.
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Bild 16 von 18. Suu Kyi trifft im November 2018 US-Vizepräsident Mike Pence in Singapur. Bildquelle: Keystone.
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Bild 17 von 18. Aung San Suu Kyi bei der Stimmabgabe bei den Wahlen am 29. Oktober 2020. Bildquelle: Reuters.
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Bild 18 von 18. Aung San Suu Kyi besucht Ende Januar 2021 eine Impfstation in einem Spital. Bildquelle: Keystone.
Die Militärs sind allgegenwärtig
«Ich kann es kaum glauben, dass ich hier bin, aber ich bin auch traurig», sagte die NLD-Abgeordnete Ma Thandar der Zeitung «Irrawaddy». «Viele Menschen haben ihr Leben für diesen Tag lassen müssen.»
Das Militär hat Dissidenten rigoros verfolgt und jahrelang eingesperrt. Suu Kyi stand selbst fast 16 Jahre unter Hausarrest. – Der Wahlsieg ist vordergründig ein unbestrittener Erfolg der Pionierin. Laut SRF-Sonderkorrespondentin Barbara Lüthi erhält Suu Kyi aber auch ein sehr schwieriges Mandat.
Grösste Opposition ist das Militär, dem laut Verfassung 25 Prozent der Sitze zustehen. Keiner dieser «Volksvertreter» ist regulär gewählt worden. Weitere Erschwernisse setzen das politische Konstrukt dem Verdacht aus, eine Pseudodemokratie zu sein.
So ist eine Verfassungsänderung nur mit Zustimmung des Militärs möglich, wie Lüthi in der «Tagesschau» erläutert. Dem Militär unterstehen ferner alle bewaffneten Sicherheitskräfte, und es stellt sechs der elf Mitglieder des mächtigen Sicherheitskabinetts. «Überdies kontrolliert es drei Ministerien und grosse Teile der Wirtschaft», sagt Lüthi.
Suu Kyi selbst ritzt die Regeln
Die abgewählte Regierungspartei USDP stürzte von der absoluten Mehrheit auf gerade einmal sechs Prozent der Mandate ab. Das Parlament wählte zunächst den Parlamentspräsidenten, Win Myint von der NLD. «Wir haben zwar die Mehrheit, aber wir werden mit den anderen Abgeordneten zusammenarbeiten», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
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Das Parlament bestimmt in den nächsten Wochen den Staatspräsidenten, der wie in den USA die Regierungsgeschäfte führt. Mit ihrer Mehrheit ist der NLD der Posten sicher. Suu Kyi kann selbst allerdings nicht Präsidentin werden. Das verbietet die Verfassung, weil ihre Söhne ausländische Pässe haben. Sie will eine Art Platzhalter als Präsidenten ernennen und selbst die Regierung führen, wie sie gesagt hat: «Ich stehe über dem Präsidenten.»
Wie viel Geduld das Volk für politisches Taktieren aufbringen kann, das ist allerdings fraglich. Die Wähler erwarten, dass die neue Regierung rasch ihr Versprechen auf politischen Wandel und Entwicklung einlöst. Vielen Abgeordneten fehlt aber die nötige politische Erfahrung.
Noch muss sich die Demokratie in Burma bewähren; bislang hatte sie einen schweren Stand: Es fanden 1990 zwar freie Wahlen statt, aber das Militär ignorierte das Ergebnis. Das Parlament trat nie zusammen. Davor wurde zuletzt 1960 gewählt.