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China steht still Zwangsferien in 25 Provinzen wegen des Corona-Virus

Wenn die zweitgrösste Wirtschaftsmacht der Welt Pause macht, hat das Auswirkungen auf die Weltwirtschaft.

Zwangsferien, stillstehende Fabriken, geschlossene Geschäfte und gestrichene Flüge – der Ausbruch des Corona-Virus stellt die chinesische Wirtschaft vor grosse Probleme. Und zuerst trifft es Branchen, in denen es vor allem auf persönlichen Kundenkontakt ankommt:

«Das sind der Verkehr, der Detailhandel und der Tourismus», erklärt Lu Zhengwei, Chefökonom der chinesischen Industrial Bank. «Selbst der Immobilienmarkt ist betroffen. Schliesslich müssen die Kunden die Wohnung vor dem Kauf besichtigen können.»

4.4 Millionen gestrichene Flugsitze

Seit dem Auftreten des Corona-Virus wurden von und nach China sowie innerhalb des Landes Flüge mit insgesamt rund 4.4 Millionen Plätzen gestrichen. Das schätzt das Branchenportal «Official Airline Guide» (OAG). Der Grossteil der Sitze entfiel auf innerchinesischen Flügen.

Im Yu-Garten in Schanghai findet zurzeit das Laternenfest statt. Normalerweise ist das ein Touristenmagnet. Am Donnerstag war die historische Anlage im Stadtzentrum praktisch menschenleer – bis auf paar wenige Touristen.

Luftaufnahme auf den Yu-Garten
Legende: Der (zurzeit menschenleere) Yu-Garten in Schanghai, 1559 von einem hohen Beamten in der Ying-Dynastie als Privatgarten angelegt, steht seit 1982 auf der Liste der Denkmäler der Volksrepublik China. SRF

Darunter der Franzose Mathias Looten mit seiner Frau und den Kindern. Sie sind am 24. Januar in Schanghai angekommen: «Wir waren eingeladen zu einer Hochzeit. Erst als wir bereits hier waren, wurde das Fest wegen des Corona-Virus abgesagt.»

Zwangsferien bedrohen Lieferketten

Mittelfristig gerate aber die gesamte chinesische Wirtschaft und damit auch die Weltwirtschaft unter Druck, sagt Ökonom Lu Zhengwei : «China ist ein riesiger Markt. Weil die Ferien verlängert wurden und weil die Leute zu Hause bleiben, wird der Konsum und die Produktion zurückgehen.» In der Folge gehen auch die Importe zurück, mit Ausnahme der medizinischen Güter.

Hinzu kommt, dass China wichtige Komponenten in die ganze Welt liefert. Am Anfang können die Unternehmen im Ausland noch ihre Lagerbestände abbauen. Aber irgendwann fehlt der Nachschub an Komponenten. «Das wird die internationalen Lieferketten treffen», sagt Lu Zhengwei in der Videokonferenz mit «10vor10», weil er sich in seinem Büro selbst in Quarantäne gesetzt hat.

Der Virus-Ausbruch kommt zu einem schlechten Zeitpunkt. Chinas Wirtschaft ist sowieso unter Druck. Sie wuchs im vergangenen Jahr mit 6.1 Prozent so langsam wie seit fast 30 Jahren nicht mehr. Mit ein Grund sind der Handelskrieg mit den USA und die Überschuldung des Landes.

Chefökonom Lu Zhengwei rechnet damit, dass sich das Wirtschaftswachstum im ersten Quartal 2020 weiter verlangsamen wird: «Wir rechnen neu mit 5.4 Prozent Wachstum.» Das ist ein halber Prozentpunkt tiefer als die Schätzung von vergangenem Dezember.

Wirtschaft dürfte weniger als 6 Prozent wachsen

Wenn die Beeinträchtigungen durch den Corona-Virus höchstens gleich lange dauern wie bei der Lungenkrankheit SARS vor 17 Jahren, glaubt der Ökonom, sei danach das Gröbste überstanden. Seine Erwartung zum Wirtschaftswachstum für das ganze Jahr korrigiert Lu Zhengwei deshalb nur leicht nach unten auf 5.9 Prozent.

Auch wenn der Chefökonom optimistisch ist, deutet vieles darauf hin, dass der Ausnahmezustand länger anhalten wird. Zwar sollen die Zwangsferien am Montag zu Ende sein, aber Millionen von Angestellten stecken nach wie vor im Land fest. Entweder, weil sie noch in Quarantäne ausharren müssen oder weil sie wegen Reisebeschränkungen nicht an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können. Einige Unternehmen haben die Ferien bereits um eine weitere Woche verlängert.

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