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Chinas Haltung zu Taiwan «Die Welt dreht sich nicht um die Taiwan-Problematik»

Die taiwanesische Präsidentin Tsai Ing-wen legte auf dem Weg zu diplomatischen Verbündeten in Mittelamerika einen Transitstopp in New York ein. Der Zwischenstopp wird von China als Aufwertung des offiziellen Austausches und der Beziehungen zwischen den USA und Taiwan gewertet. China lehnt jede offizielle Interaktion zwischen den USA und Taiwan entschieden ab. Zhou Bo, Experte für chinesische Sicherheitspolitik, spricht über die Haltung des chinesischen Regimes.

Zhou Bo

Chinesicher Sicherheitsberater

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Zhou Bo vom Center for International Security and Strategy der Tsinghua Universität in Peking begleitete Chinas obersten Diplomaten Wang Yi an die Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2023. Er war Oberst der chinesischen Volksbefreiungsarmee.

SRF News: Wie wird China auf die USA-Reise der taiwanesischen Präsidentin reagieren?

Zhou Bo: Wir müssen sehen, was die chinesische Regierung machen wird. Ich will nicht spekulieren, aber ich weiss, dass es China nicht gerne sieht und den Besuch verurteilt. Was genau passieren wird, weiss ich nicht. Aber es wird eine Reaktion geben.

Viele Staaten schauen nun nach Taiwan, seit dem Ukraine-Krieg noch viel genauer. Denken Sie, dass diese globale Aufmerksamkeit den Entscheid der chinesischen Regierung beeinflusst?

Ich denke nicht. Die Welt dreht sich nicht um die Taiwan-Problematik. Wenn wir uns die Welt anschauen, dann kommt es darauf an, wo man steht. Im globalen Süden ist Chinas Image sehr gut, vor allem in Afrika und Südamerika. Ich glaube nicht, dass die Taiwan-Angelegenheit eine so grosse Sache ist. Es ist lediglich eine Methode der USA, um Druck auf China auszuüben. Es gibt keinen Hinweis, dass China eine drohende militärische Attacke starten wird. Es gibt keine solchen Hinweise.

Der globale Süden interessiert sich viel weniger für den Ukraine-Krieg als die westlichen Länder. Wieso sollten sie sich dann um einen Krieg in der Taiwanstrasse kümmern, den es nicht gibt?

Sie haben gerade zahlreiche Länder besucht. Haben nicht alle Sie nach Ihrer Meinung mit Blick auf die Haltung Chinas gegenüber Taiwan gefragt?

Ich denke, sie sprechen nur über westliche Länder. Ich war zum Beispiel in Tel Aviv. Da haben wir kaum über dieses Thema gesprochen, weil sich die Israeli nur mit Iran beschäftigen. Ich habe zuletzt viele Schwellenländer besucht, das stimmt. Ich glaube nicht, dass diese Ihre Ansichten teilen.

Zum Beispiel interessiert sich der globale Süden viel weniger für den Ukraine-Krieg als die westlichen Länder. Und wenn sie sich weniger dafür interessieren, wieso sollen sich diese dann um einen Krieg in der Taiwanstrasse kümmern, den es nicht gibt? Diese Logik funktioniert nicht.

China hat gerade wieder die Militärausgaben erhöht. Inwiefern ist Taiwan im Fokus bei der Entwicklung des chinesischen Militärs?

Natürlich ist Taiwan unser primäres Anliegen. Das heisst nicht, dass wir einen Zeitplan haben, um einen Angriff zu starten. Aber wir müssen uns einen letzten Ausweg offenhalten. China macht kein Geheimnis daraus, wann möglicherweise militärische Mittel gegen Taiwan ergriffen werden. Das ist klar in unserem Anti-Sezessionsgesetz festgehalten.

Chinas Anti-Sezessionsgesetz

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Zhou Bo zählt die drei Bedingungen auf, unter denen China Taiwan militärisch angreifen würde. Sie sind in dem Anti-Sezessionsgesetz festgehalten.

  • Taiwan erklärt seine Unabhängigkeit.
  • Ein grosses Ereignis, das zur Abtrennung von Taiwan führt. Als Beispiel führt der Stratege den Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan an.
  • Wenn die chinesische Bevölkerung nicht mehr das Gefühl hat, dass eine friedliche Vereinigung erzielt werden kann.

Deshalb sage ich immer: Um die Chinesinnen und Chinesen zu motivieren, keine Gewalt anzuwenden, muss die chinesische Bevölkerung das Gefühl haben, dass wir den Frieden in der Taiwanstrasse bewahren können oder dass es noch einen Frieden gibt, den es zu bewahren gilt. Deshalb sollte man nicht provozieren. Vor kurzem hat Kevin McCarthy, der Mehrheitsführer im US-Repräsentantenhaus entschieden, Tsai Ing-wen in Kalifornien zu treffen und nicht in Taiwan. Ich denke, das zeigt, dass unsere Militärübungen rund um die Insel einen nützlichen Effekt hatten.

Das Gespräch führte Samuel Emch, SRF-Korrespondent in China.

Rendez-vous, 30.03.3023, 12:30 Uhr ; 

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