Der Kanadier Michael Spavor wurde zu elf Jahren Haft verurteilt. Grund: Spionage. Die Reaktionen aus China und Kanada fallen – verständlicherweise – unterschiedlich aus. Kanada ist empört. Der Entscheid sei unfair und inakzeptabel. China seinerseits begrüsst das Urteil.
Die chinesischen Medien hätten das Urteil kurz und knapp gemeldet. Mehr Emotionen habe es in den sozialen Medien in China gegeben, sagt China-Korrespondent Martin Aldrovandi. «Sehr viele Kommentatorinnen und Kommentatoren haben das Urteil begrüsst und finden, das Vorgehen gegen die Kanadier sei richtig.»
Dabei müsse man davon ausgehen, dass die chinesischen Behörden weiter Druck auf Kanada aufsetzen wollen. Druck, damit die kanadischen Behörden die Huawei-Finanzchefin Meng Wanzhou – und Tochter des Huawei-Gründers – freilassen. Sie wartet auf ihre Auslieferung in die USA. Diese Festnahme wollte man in China offenbar nicht einfach hinnehmen. Natürlich besteht auch ein Zusammenhang mit der Krise zwischen dem Telekomkonzern Huawei und den USA.
In Kanada überrascht das Urteil nicht wirklich. «Man wusste, wer in China angeklagt ist, der wird höchstwahrscheinlich auch verurteilt», so Andrea Christen, Auslandredaktor. Dennoch erhalte der Fall der «two Michaels» sehr viel Aufmerksamkeit.
Die Rede ist von Geiseldiplomatie.
Der Spionagevorwurf gelte als haltlos. Viele Stimmen in Kanada sehen es laut Christen als erwiesen, dass China die beiden als Druckmittel und als Vergeltung für die Verhaftung von Meng Wanzhou eingesperrt hat. «Die Rede ist von Geiseldiplomatie.» Empört sei man auch über die prekären Haftbedingungen von Spavor und Kovrig, die seit fast 1000 Tagen eingesperrt sind. Das kontrastiere stark mit den Bedingungen von Meng Wanzhou.
Eine Sache der Justiz
Der kanadische Premierminister Justin Trudeau will den diplomatischen Weg bestreiten. «Er hat heute bekräftigt, man arbeite rund um die Uhr, um die beiden freizubekommen», sagt Andrea Christen. Er hat die Aufforderung, Meng Wanzhou nicht auszuliefern, um die Kanadier freizubekommen, abgelehnt. «Damit wollte er wohl auch einen Präzedenzfall vermeiden, der China zeigen würde, solche Druckversuche funktionieren.»
Das Urteil ist wahrscheinlich mit Absicht zum jetzigen Zeitpunkt gefallen. Ein Gericht in Vancouver soll bald entscheiden, ob Meng Wanzhou ausgeliefert wird. Womöglich will China also nochmals den Druck auf Ottawa erhöhen. Auch die etwaigen Neuwahlen in Kanada könnten eine Rolle spielen, so Christen. Denn eine Krise vor den Wahlen kommt Trudeau nicht gelegen.
Diese Überlegungen aus China würden zeigen, wie flexibel das Rechtssystem dort sei und wie es politisch genutzt werde, so China-Korrespondent Aldrovandi. Auch in der Vergangenheit sei dies klar geworden, als Zölle auf australische Importe erhöht oder koreanische Warenhäuser in China geschlossen wurden. «Da ging es auch einfach darum, zu zeigen, dass China bestrafen kann und es auch tut.»
Da ging es auch darum, zu zeigen, dass China bestrafen kann und es auch tut.
Ob diese Strategie Chinas funktionieren wird, wird sich in diesem Fall zeigen. Im Fall von Michael Spavor sei bei der Strafe auch von Abschiebung die Rede. «Da lässt man sich zumindest Türen offen, um zu reagieren», erklärt Martin Aldrovandi. «Sollte Kanada China doch entgegenkommen, könnte man ihn vielleicht abschieben. Aber das ist jetzt alles noch offen.»