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Chinesische Machtpolitik Pekings Einfluss in der UNO wächst

China baut die Macht in der UNO gezielt aus. Die Menschenrechtsorganisation ISHR beklagt die Passivität vieler Länder.

Chinas Aufstieg zur Wirtschaftsmacht ist kein neues Phänomen. Sehr wohl aber Chinas Aufstieg zu einem zentralen und machtbewussten Akteur auf der politischen Weltbühne. Wie genau China vorgeht, hat nun die Menschenrechtsorganisation International Service for Human Rights (ISHR) untersucht.

China sei mittlerweile im ganzen UNO-Apparat überaus aktiv und besetze mehr Spitzenpositionen als die drei Vetomächte USA, Frankreich und Grossbritannien zusammen, sagt Programmdirektorin Sarah Brooks: «Das UNO-Engagement von China ist gezielter und entschlossener als das vieler anderer Länder.»

Das UNO-Engagement von China ist gezielter und entschlossener als das vieler anderer Länder.
Autor: Sarah Brooks Programmdirektorin International Service für Menschenrechte, ISHR

Selbst wenn China keine eigene Kandidatur portiert, nimmt es Einfluss. So wurde etwa die Wahl des Generaldirektors der Weltgesundheitsorganisation (WHO), des Äthiopier Tedros Ghebreyesus, massgeblich von Peking gefördert.

Eigene Ziele haben Vorrang

Eigentlich sollten UNO-Beamte die Interessen aller 193 Mitgliedsländer im Auge haben und dürften nicht ihren Herkunftsstaat vertreten. Sie müssten also, sinnbildlich, ihren Pass beim Amtsantritt abgeben.

Nicht alle Funktionäre verhalten sich so. Chinesische sehen sich sogar explizit dazu verpflichtet, die Interessen ihrer Heimat zu vertreten. Das räumte der langjährige Vize-UNO-Generalsekretär Wu Hongbo – inzwischen nicht mehr im Amt – im chinesischen Staatsfernsehen freimütig ein.

Wie viele hochrangige Chinesen argumentiert Wu damit, sein Land sei immer noch ein Entwicklungsland, werde vom Westen zu Unrecht angegriffen und befinde sich in der Opferrolle: «China wird diskriminiert.»

Rückendeckung gegen kritische Stimmen wächst

In der UNO kann davon keine Rede sein. China habe inzwischen viele Verbündete und könne meistens verhindern, von UNO-Gremien und -Exponenten kritisiert zu werden, so Brooks, etwa im UNO-Menschenrechtsrat.

Der Einfluss in Asien, Afrika, Lateinamerika und teils gar in Europa ermögliche es China, Druck auf Staaten zu machen, in Pekings Sinn abzustimmen und chinesische Kandidaten und sehr selten Kandidatinnen für Spitzenämter durchzubringen.

China ist sich zudem sehr bewusst, dass im UNO-System die Bedeutung von Nichtregierungsorganisationen (NGO) wächst. Systematisch und erfolgreich verhindert es deshalb, dass unabhängige und China-kritische NGO überhaupt eine Akkreditierung bei der UNO erhalten. Sie werden so ausgegrenzt.

«Neue Seidenstrasse» salonfähig gemacht

China nimmt hier Einfluss wie kein anderes Land. Es finanziert zudem UNO-Anstrengungen oder lanciert sie gar, die seinen Zielen dienen. Und es lobbyiert derart erfolgreich, dass sich inzwischen sogar die UNO-Führung mit dem Projekt einer «neuen Seidenstrasse» identifiziert.

So sprach Generalsekretär Antonio Guterres von gemeinsamen nachhaltigen Entwicklungszielen, obschon es weniger den Interessen der Weltgemeinschaft dient als der Machtausweitung Pekings.

Allerdings wachse allmählich das Misstrauen, erklärt Brooks. Mitunter gehe China zu forsch vor, setze zu plump auf Einschüchterung. Das löse Widerstand aus und bewirkt in Einzelfragen gar Schulterschlüsse gegen China.

Wichtiger wäre jedoch, so Sarah Brooks, dass Staaten, die ein anderes Weltbild vertreten, sich selber viel stärker in der UNO engagierten, selber Top-Kandidaturen für Spitzenposten unterbreiteten und sich gegenseitig unterstützten. Stattdessen habe die Tatsache, dass die USA unter Präsident Donald Trump vier Jahre lang in der UNO auf Tauchstation gingen, Peking Tür und Tor geöffnet.

Rendez-vous, 19.07.2021, 12:30 Uhr

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