2019 brach in einer Eisenerz-Mine in der Nähe der Stadt Brumadinho ein Damm, mindestens 260 Menschen kamen ums Leben. Die Katastrophe gilt heute als grösster Industrieunfall in der Geschichte Brasiliens: Giftiger Minenschlamm verseuchte Flora, Fauna und das Trinkwasser tausender Menschen.
Seit heute befasst sich die deutsche Justiz mit dem Unglück. Das deutsche Prüfunternehmen TÜV Süd hatte die Sicherheit und die Stabilität des Damms nämlich bestätigt – nur 4 Monate bevor er brach. Deshalb haben Angehörige der Opfer gegen TÜV Süd geklagt.
Der deutsche Anwalt Jan Erik Spangenberg vertritt die Angehörigen am Landgericht München. Er sagt gegenüber SRF News: «Der Prüfkonzern TÜV Süd trägt eine Verantwortung für das Unglück, weil er wusste, dass der Damm nicht hinreichend sicher ist und es trotzdem unterlassen hat, Massnahmen zu ergreifen. Der Konzern wusste das, weil er unter anderem auch einen Mitarbeiter in Brasilien hatte, der regelmässig aus München nach Brasilien geflogen ist und dort auch an Besprechungen über die Sicherheit des Damms teilgenommen hat.»
Zustand falsch bewertet
Das brasilianische Tochterunternehmen von TÜV Süd hatte den Damm nur vier Monate vor der Katastrophe geprüft und gesagt, alles sei stabil. Ohne dieses Zertifikat hätte der Betrieb in der Mine eingestellt werden müssen. Nach Einschätzung der brasilianischen Staatsanwaltschaft wurde das Zertifikat ausgestellt, obwohl den Ingenieuren von TÜV Süd der unstabile Zustand der Anlage bewusst gewesen sei. Ein verantwortlicher Prüfer hatte gegenüber dem Staatsanwalt erklärt, sich vom Bergbaukonzern Vale unter Druck gesetzt gefühlt zu haben.
Das sind schwere Anschuldigungen, der TÜV Süd weist jede Verantwortung von sich. Sprecherin Sabine Hoffmann sagt im Interview mit SRF News: «Wir sind davon überzeugt, dass TÜV Süd keine rechtliche Verantwortung für den Dammbruch trägt. Der Betreiber ist für die Mine und zugehörige Dämme verantwortlich und haftet für sämtliche Schäden aus deren Betrieb.»
Nächste Katastrophe wartet
Darüber entscheidet seit heute das Landgericht München. Die Angehörigen klagen auf Entschädigung. Doch die juristische Aufarbeitung der Katastrophe löst die Probleme der brasilianischen Bergbauindustrie nicht.
So wie der Damm in Brumadinho gebaut war, so sind noch über 700 Dämme in ganz Brasilien gebaut. Diese sogenannten Upstream-Dämme sind mit grossen Risiken belastet, unter anderem, weil sie immer wieder erhöht werden. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen warnte schon vor vier Jahren vor diesen Dämmen. Seit Ende letzten Jahres dürfen sie in Brasilien nicht mehr gebaut werden. Aber die bereits gebauten sind weiterhin in Betrieb und ein Risiko.
Beim Prozess in München könnten Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden. Aber weiterhin besteht die Gefahr, dass der nächste Damm bricht.