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Das Leiden der US-Diplomaten Ursprung des Havanna-Syndroms bleibt ein Rätsel

Seit Jahren gibt es Berichte über rätselhafte Erkrankungen von US-Diplomaten. Washington schliesst nun jedoch aus, dass feindliche Angriffe hinter dem Havanna-Syndrom stecken.

Worum geht es? Rund 1500 Angestellte der US-Regierung leiden seit Jahren unter mysteriösen gesundheitlichen Problemen wie rätselhaften Kopfschmerzen, Hörverlust, Schwindel und Übelkeit. Die Symptome wurden erstmals 2016 bei im kubanischen Havanna lebenden US-Diplomaten und ihren Angehörigen festgestellt, später aber auch an anderen Orten der Welt. Gemunkelt wurde, ob eine Art Angriff dahinterstecken könnte.

Was ist die neue Haltung der US-Regierung? Die US-Geheimdienste gehen Medienberichten zufolge nicht davon aus, dass ein «ausländischer Gegner» für das sogenannte Havanna-Syndrom verantwortlich ist. Dies sei der vorläufige Abschluss jahrelanger nachrichtendienstlicher Untersuchungen, berichtete unter anderem die «Washington Post» am Mittwoch unter Berufung auf Geheimdienstmitarbeiter.

Das sagen die Betroffenen

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Viele der Betroffenen behaupten, sie seien Opfer eines vorsätzlichen Angriffs geworden. Immer wieder gerät dabei auch Russland ins Visier als möglicher Verursacher der Beschwerden. Der «Washington Post» zufolge widerspricht der aktuelle Bericht nun dieser These fast komplett. Die betroffenen Diplomaten warfen der US-Regierung in der Vergangenheit auch immer wieder vor, die Symptome herunterzuspielen. Gegenüber der «New York Times» forderte ein Opferanwalt, dass die Geheimdienste mehr Details zu ihrer Arbeit vorlegen müssten.

Sieben US-Geheimdienste haben der «Washington Post» zufolge weit mehr als tausend Fälle in knapp 100 Ländern überprüft.

Was könnte die Ursache des Havanna-Syndroms sein? Eine plausible Erklärung für die Fälle gibt es weiterhin nicht. Der CIA-Bericht vermutet als Ursache elektromagnetische Impulsenergie, vor allem im Radiofrequenzbereich. Diese könne die von Geheimdienstmitarbeitern in den letzten Jahren berichteten Symptome erklären. Die Symptome lassen sich zudem nicht einer eindeutigen Krankheit zuordnen.

Ein Oldtimer steht vor der US-Botschaft in Havana.
Legende: Die US-Botschaft in Havanna. REUTERS/Alexandre Meneghini/File Photo

Welche Rolle spielt die Psyche? «Angst kann bei solch diffusen Syndromen wie dem Havanna-Syndrom eine Rolle spielen. Denn Angst ist eine ansteckende Emotion», erklärt SRF-Wissenschaftsredaktorin Katharina Bochsler. «So kann es sein, dass wir uns gezielt auf mögliche Symptome hin beobachten, wenn Menschen in unserem Umfeld erkranken. Durch den Fokus auf körperliche und psychische Symptome fällt uns dann vieles auf, das wir vorher nicht beachtet haben. Es kommt zu Fehldeutungen, in deren Rahmen harmlose Symptome stärker wahrgenommen werden. Das heisst, die Betroffenen leiden tatsächlich unter Beschwerden, sie ordnen diese aber falschen Ursachen zu.»

Dazu passt, dass solche Symptome erstmals 2016 in Havanna auftraten. Das war kurz nachdem die USA und Kuba nach Jahren gegenseitiger Feindseligkeit wieder diplomatische Beziehungen aufgenommen hatten. Das Misstrauen war noch immer gross und es gab Spekulationen, wonach die kubanische Regierung gezielt Schall einsetzte, eine Art akustische Waffe.

Elektromagnetische Strahlung doch nicht die Ursache? Noch 2020 hatte ein Bericht der Nationalen Akademie der Wissenschaften darauf hingedeutet, dass das Havanna-Syndrom durch elektromagnetische Strahlung ausgelöst worden sein könnte. Die Wissenschaftler waren davon ausgegangen, dass ein Mikrowellen-Instrument oder eine Waffe mit gepulster gerichteter Energie die wahrscheinlichste Ursache sei.

Details zum Bericht aus dem Jahr 2020

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SRF-Wissenschaftsredaktorin Katharina Bochsler: Das für den Bericht aus dem Jahr 2020 verantwortliche Gremium betont, dass «gepulste elektromagnetische Energie» die Ursache des Havanna-Syndroms sein könnte. Es bestünden zwar Informationslücken, aber es gebe «mehrere plausible Wege», wie diese Energie erzeugt worden sein könnte. Der Bericht geht allerdings nicht ins Detail. Quellen könnten «Nicht-Standardantennen und -techniken» sein.

Radio-, Mikrowellen und Ultraschall könnten Symptome verursachen, wie die von den betroffenen Personen beschriebenen. Andere Ursachen wie chemische oder biologische Substanzen wurden angesichts dieser Symptome als nicht plausibel beurteilt.

Der neuste Geheimdienstbericht kommt aber mehrheitlich zum Schluss, dass es «sehr unwahrscheinlich» sei, dass Russland oder «ausländische Gegner» involviert sein könnten. Gegen eine feindliche Beteiligung spreche auch die Verblüffung der verdächtigten Widersacher und deren Vermutung, es handle sich um ein US-amerikanisches Komplott. Offenbar sind aber nicht alle Geheimdienste gleich stark von diesen Erklärungen überzeugt.

Was geschieht nun? Ein Expertenteam im Pentagon wird das Havanna-Syndrom und dessen mögliche Ursachen weiter untersuchen.

HeuteMorgen, 02.03.2023, 06:00 Uhr

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