Gemäss Duden ist «Filibuster» ein altes Wort für Freibeuter oder Partisane. In den USA ist der Filibuster jedoch keine Person, sondern ein Vorgang im Senat. Dabei verzögert oder verhindert die Minderheit mit Dauerreden ein Geschäft. Präsident Joe Biden hat nun angekündigt, dass er das Filibustering künftig zwar nicht abschaffen, aber erschweren will. Das hätte weitreichende Konsequenzen, erklärt SRF-Korrespondentin Isabelle Jacobi.
SRF News: Wie will Biden erreichen, dass nicht mehr «gefilibustert» wird?
Isabelle Jacobi: Indem er die Dauerrede wieder einführt. Denn heute kann die Minderheit im Senat lediglich einen Filibuster androhen, um ein Gesetz zu blockieren. Es braucht 60 Stimmen im 100-köpfigen Senat, um das zu beenden. Das heisst, es gibt eine ständige Sperrminorität von 41 Stimmen. Biden will also die Dauerrede wiedereinführen, um die Hürde für den Filibuster zu erhöhen. Denn dann müsste die Opposition im Senat – die Republikaner – tatsächlich hin stehen, und 20 Stunden lang Telefonbücher vorlesen.
Warum macht Biden das?
Er sagt, dass das Filibustering in seiner heutigen Form die Demokratie behindert, weil es exzessiv benutzt wird. Er macht damit eine Kehrtwende, denn bisher hat er diese alte Tradition immer verteidigt. Er schwenkt ein auf die grosse Mehrheit der Demokraten, die den Filibuster ganz abschaffen will.
Die Demokraten versuchen, Chaos zu stiften, um die Abschaffung zu legitimieren.
Das hat taktische Gründe. Bidens Reformen bei der Immigration, der Infrastruktur und den Steuererhöhungen kämen derzeit nämlich nicht durch den Senat. Die demokratische Mehrheit ist dazu einfach zu dünn.
Die Republikaner sind gegen die Reform des Filibuster. Warum?
Sie sind nicht nur gegen die Reform. Sie drohen mit dem totalen Boykott. Ihr Anführer Mitch McConnell spricht von einer Politik der verbrannten Erde. Denn für sie geht es darum, ob die Opposition überhaupt noch mitreden kann. Die Republikaner sehen in Bidens Kehrtwende einen Startschuss zur völligen Abschaffung. Und damit haben sie wohl auch recht. Denn wie eine Dauerrede im modernen Senat funktionieren soll, kann man sich nicht vorstellen. Die Demokraten versuchen, Chaos zu stiften, um die Abschaffung zu legitimieren.
Ein Filibuster ist ein Kuriosum. Warum gibt es ihn überhaupt?
Das ist eine alte parlamentarische Sitte, die es schon bei den alten Römern gab. In den USA wurde der Filibuster in den Babyjahren der Republik eingeführt. In der Verfassung steht nichts darüber. Er wurde relativ selten gebraucht. Er ist als extreme Massnahme für die Opposition gedacht. Doch in den letzten zehn Jahren hat der Gebrauch stark zugenommen. Das ist auch ein Grund, weshalb der US-Kongress so dysfunktional geworden ist.
Die Republikaner drohen mit einer Totalblockade. Können sie das?
Sie können das Quorum für Abstimmungen verweigern. Denn dazu braucht es mindestens 51 Anwesende im Senat. Das heisst, die Republikaner drohen damit, einfach nicht mehr zu erscheinen. Und das sind nicht nur billige Drohgebärden. Es wird zu einem Showdown kommen, wenn die Demokraten den Filibuster anfassen. Und das werden sie ziemlich sicher tun.
Warum wollen die Demokraten diese Regel gerade jetzt reformieren?
Es geht um Machtpolitik. Das Zeitfenster der Demokraten ist sehr klein. Schon in knapp zwei Jahren könnten sie in beiden Kammern die Mehrheit verlieren. Eine Rückkehr der Republikaner ist für die Demokraten ein absolutes No-Go. Sie gehen das Risiko ein, dass sie wieder in der Opposition sein könnten und keinen Filibuster mehr zur Verfügung hätten. Aber das ist offenbar sekundär.
Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.