Auf einem Parkplatz in Byblos nördlich von Beirut stehen fünf Busse und drei stolze Buschauffeure. Was andernorts normal ist, ist in Libanon fast schon eine Sensation: öffentliche Verkehrsmittel, die zuverlässig nach Fahrplan fahren.
Mit der horrenden Inflation und den gestiegenen Treibstoffpreisen verschlingt Benzin fürs tägliche Pendeln schnell einen ganzen Monatslohn. Viele können es sich nicht mehr leisten, mit dem Auto zur Arbeit zu fahren.
Seit rund zwei Monaten hat die Stadt Byblos «ByBus». Das kleine Busnetz ist für die geschätzten 300'000 Menschen, die in der Agglomeration von Byblos leben, kein Luxus. Buschauffeur Aymad Najem zeigt einen der Busse. «Er ist geräumig, hat alles, sogar Klimaanlage», schwärmt er. Noch ist der Fahrplan dünn.
Wenig beliebter ÖV in Libanon
Morgens mache er zwei Fahrten, abends deren drei, erklärt Najem. Die Busse bedienen vor allem die Berggemeinden rund um Byblos. Sie bringen Angestellte und Studierende am Morgen in die Stadt und abends wieder zurück in ihre Dörfer.
Wenn sich unsere korrupte Regierung nicht um uns kümmert, müssen wir selbst Lösungen finden.
«In der Krise sind wir Libanesen erfinderisch», schmunzelt der Buschauffeur. «Weil sich unsere korrupte Regierung nicht um uns kümmert, müssen wir selbst Lösungen finden.»
Initiator des Busbetriebs ist der 40-jährige Youssef Kosseifi. In Libanon betreibt der Unternehmer aus Byblos ein paar kleine Firmen. Zudem ist er Chef einer multinationalen Firma in Westafrika. Dass Libanon kaum öffentliche Verkehrsmittel hat, stört ihn. Aber daran sei nicht nur die Regierung schuld, betont Kosseifi.
Der Traum von den Elektrobussen
«Leider sind Libanesinnen und Libanesen arrogant. Sie finden es erniedrigend, mit dem öffentlichen Verkehr zu fahren», sagt er. Lange sei Benzin verhältnismässig billig gewesen. Jeder sei mit dem eigenen Auto zur Arbeit gefahren. Deshalb habe jeglicher Druck auf die Regierung gefehlt, ein ÖV-Netz zu bauen.
Libanesen sind arrogant. Sie finden es erniedrigend, mit dem öffentlichen Verkehr zu fahren.
Die Idee für einen Busbetrieb habe ein Politiker aus Byblos schon 2019 gehabt, doch die Massenproteste gegen die Regierung und Corona hätten die Umsetzung verzögert. Kosseifi liess die Idee nicht los. Zusammen mit ein paar Freunden erstellte er Busrouten sowie eine Webseite mitsamt Zahlungsapp. Zudem mietete er von einem lokalen Transportgeschäft acht Busse. Das alles tat er auf eigene Kosten und mit viel Gratisarbeit.
Der Fahrpreis ist eher symbolisch und bei weitem nicht kostendeckend. Warum engagiert sich Kosseifi derart stark? «Weil die Menschen das Vertrauen in ihr Land verlieren und immer mehr abwandern.» Und das sei kein Wunder, wenn sie nicht einmal zur Arbeit fahren könnten. «Wir müssen einander helfen!», sagt der libanesische Kleinunternehmer. Er träumt davon, klimafreundliche Elektrobusse anzuschaffen.
Billettverkäufer statt arbeitslos
Auf dem Busparkplatz stehen zwei kleine neue Holzhütten. Eine ist geschlossen, in der anderen sitzt ein junger Mann namens Simon. Von 6 Uhr morgens bis 13 Uhr mittags verkauft er Tickets und informiert Interessierte ohne Smartphone. Simon ist überzeugt, dass der Busbetrieb Erfolg haben werde.
Auf Kundschaft muss Simon manchmal lange warten. Trotzdem liebt er seine Arbeit, schliesslich war er arbeitslos, bevor es «ByBus» gab. «In dieser Zeit liebst du jeden Job – egal, ob er dir gefällt oder nicht», sagt er lachend. Für Simon und andere Arbeitslose ist das Experiment mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Byblos bereits ein Erfolg.